Depression, Sucht, Suicidalität...Was ist da los im Studium und in der Weiterbildung?

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Dr. Günter Gerhardt schrieb 23 Juli 2017

Der Druck in Studium und Weiterbildung ist groß. Eine aktuelle Studie (wurde durchgeführt nachdem 5 junge Assistenzärzte Selbstmord begangen hatten)  unter angehenden französischen Ärzten zeigt drastische Folgen. In England haben innerhalb von 4 Jahren 430 Ärztinnen und Ärzte ihrem Leben ein Ende gesetzt.
Jetzt bitte nicht denken "ach so in Frankreich (England)!" Auch bei uns gibt es immer mehr depressive Medizinerinnen und Mediziner sowohl im Studium, als auch in der Weiterbildung (s. angehängte Dateien). Es scheint nur noch nichts Schlimmeres passiert zu sein, zumindest sind wohl keine ähnlichen Fälle wie in Frankreich oder England bekannt (geworden).(s.auch Kategorie Medizinjournalismus)

Laut der französischen Studie hat jeder 4. Medizinstudent oder Arzt in Weiterbildung schon mindestens einmal daran gedacht, sein Leben durch die eigene Hand zu beenden. 738 der 22 000 Befragten gaben sogar an, bereits einen Suizidversuch unternommen zu haben. Zwei Drittel der befragten Studenten und jungen Krankenhausärzte gaben dabei an, an Angststörungen zu leiden oder ds Gefühl zu kennen. Mehr als jeder Vierte weist depressive Symptome auf, die durchschnittlich nur bei 10% der allgemeinen Bevölkerung auftreten.

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Dr. Günter Gerhardt schrieb 12 September 2018

Suizid unter Medizinern

„Ärzte sind genauso oft depressiv, aber sie bringen sich häufiger um!“

In Deutschland sterben mehr Menschen durch Suizid als an HIV, Verkehrsunfällen und illegalen Drogen zusammen. Für Ärzte ist das Risiko besonders groß. Der ärztliche Psychotherapeut Professor Reinhard Lindner von der Universität Kassel forscht seit Jahren zu dem Thema. Im Interview erklärt er Ursachen und mögliche Lösungen für das Problem.

Sieht drei Faktoren als Auslöser für das hohe Suizid-Risiko von Medizinern: Professor Reinhard Lindner.
© Sonja Rode/Lichtfang.net

Herr Professor Lindner, Suizidalität ist ein schwerwiegendes gesellschaftliches Problem. Jedes Jahr nehmen sich in Deutschland laut dem Statistischen Bundesamt 10.000 Personen selbst das Leben. Wie sieht die Situation bei Ärzten aus?

Das Suizidrisiko bei Ärzten liegt um das 1,3- bis das 3,4-Fache höher als in der männlichen Gesamtbevölkerung. Bei Ärztinnen ist es sogar um das 2,5- bis 5,7-Fache höher als in der weiblichen Gesamtbevölkerung. Normalerweise bringen sich Männer dreimal so häufig um wie Frauen, aber zwischen Ärztinnen und Ärzten findet sich dieser Unterschied nicht.

Tritt dieser Effekt auch noch auf, wenn man Ärzte mit anderen Akademikern vergleicht?

Ja, es zeigt sich eindeutig ein Unterschied zu Ingenieuren, Juristen oder anderen akademischen Berufen. Das gilt übrigens auch für Zahnärzte oder Veterinäre – auch sie töten sich häufiger selbst.

Wie sieht es innerhalb der Ärzteschaft aus: Gibt es dort Unterschiede?

Das größte Suizidrisiko haben Psychiater. Darauf folgen Anästhesisten, Chirurgen, Internisten, Neurologen und dann kommen die Allgemeinmediziner. Als häufigste Methode wählen Mediziner dabei die Vergiftung – auch das unterscheidet sie von der Allgemeinbevölkerung. Dort wird sich am häufigsten erhängt.

Was erklärt die erhöhte Suizidrate bei Medizinern?

Das ist in der Tat eine schwere Frage. Die Depressionsrate bei Medizinern ist zum Beispiel nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung. Ärzte sind also genauso oft depressiv, aber sie bringen sich häufiger um.

Könnte es am nötigen Fachwissen und der Verfügbarkeit von letalen Mitteln liegen?

Zurzeit geht man davon aus, dass die erhöhte Suizidrate unter Ärzten zustande kommt, weil drei Faktoren interagieren.

Der eine Faktor ist eine ganz bestimmte Persönlichkeit, die sich bei Ärztinnen und Ärzten besonders häufig findet. Das sind Menschen, die eine hohe Fähigkeit haben, sich mit dem Leid anderer zu identifizieren. Es trifft sie schwerer, als den Durchschnitt der Bevölkerung.

Das kommt gepaart mit einem starken Leistungsethos. Ärztinnen und Ärzte stellen an sich den Anspruch, sehr gut in ihrer Arbeit zu sein. Damit ist oftmals eine höhere Kränkbarkeit verbunden. Diese Kränkbarkeit zeigt sich etwa dann, wenn man den eigenen Leistungsanspruch nicht erfüllt. Noch stärker wirkt das natürlich, wenn die Arbeit von außen kritisiert wird. Diese drei Persönlichkeitsmerkmale, Einfühlungsvermögen, Leistungsethos und Kränkbarkeit, treten bei Ärzten besonders gehäuft auf und sind ein wichtiger Grund für die erhöhte Suizidalität.

Diese Persönlichkeit tritt etwa bei Juristen seltener auf?

Genau, aber natürlich findet sie sich nicht bei jedem Arzt. Menschen sind verschieden. Bei Medizinern tritt sie eben häufiger auf. Und wenn man dann die Suizidenten in der Ärzteschaft genauer anschaut, entdeckt man diese Persönlichkeit besonders oft. Hinzu kommt dann als zweiter Faktor das Wissen über die spezifischen Methoden und die leichte Erreichbarkeit letaler Mittel.

Und letztlich spielt auch die ärztliche Arbeitswelt, in der Schwäche oder Bedürftigkeit keinen Platz haben, eine Rolle. Das wäre Punkt Nummer drei. Die Medizin ist in Deutschland noch immer nach dem preußischen Militärrecht strukturiert. Darin sind sehr steil aufgestellte Karriereleitern zu erklimmen. Daraus können Überstunden, Nachtarbeit, Schlafmangel und soziale Deprivation folgen. Das verstärkt noch die Erwartungshaltung – von Vorgesetzten, aber auch von Ärzten selber – jederzeit für die benötigte Hilfe anderer zur Verfügung stehen zu müssen.

Wie lassen sich – bei diesen Voraussetzungen – Suizide bei Ärzten verhindern?

Es ergibt natürlich, auch bei Ärzten, Sinn, psychiatrische Störungen, wie Depressionen früh zu erkennen. Das ist ein wichtiger Punkt.

Gibt es konkrete Präventionsprojekte?

In Gießen wurden zum Beispiel Kurse in das Medizinstudium aufgenommen, die über Stressoren im Arztberuf informieren und mögliche Bewältigungs- und Vorbeugemaßnahmen aufzeigen. Ob diese Maßnahme Wirkung zeigt, lässt sich natürlich schwer belegen. Da haben Sie natürlich das Problem der kleinen Zahlen, wenn so ein Projekt nur an einer Universität läuft.

Die von Ihnen beschriebenen Faktoren wirken sehr grundlegend. Lassen die sich überhaupt durch solche Kurse beeinflussen?

Diese Kurse versuchen, den jungen Ärzten mögliche Gefahren aufzuzeigen. Ihnen zu sagen: Leute, hinterfragt euer Selbstbild! Geht fürsorglich mit euch selbst um und lernt, professionell und zugleich engagiert mit dem Leid anderer umzugehen. Die Forderung wäre, solche Seminarinhalte mehr in die Ausbildung von Medizinern zu implementieren. Je früher desto besser.

Und wenn ein Arzt schon im Beruf ist, was hilft dann?

Es ist nachgewiesen, dass Intervision und Supervision, also der kollegiale Austausch außerhalb der Hierarchie sehr viel bringen. Da können sie dann schwere Fälle oder auch Probleme mit Kollegen besprechen.

Was kann ein niedergelassener Arzt machen?

Auch da gilt: Die Warnung vor der Aufopferung. Und auch hier könnten natürlich mehrere niedergelassene Ärzte sich in einer Intervisionsgruppe treffen. Ärzte sollten sich aber auch nicht davor scheuen, eine Psychotherapie zu machen. Seit etwa 20 Jahren machen das ja zum Beispiel alle Psychiater in Ausbildung zum Facharzt. Das ist verpflichtend und hat einen positiven Effekt.

Aber das sind doch noch immer die Ärzte, die sich am häufigsten suizidieren.

Das stimmt, aber es sind deutlich weniger als in den Jahren davor.

Woran lässt sich erkennen, ob ein Kollege oder eine andere Person in meinem Umfeld suizidal ist?

Es gib einige Anzeichen: Wenn sich eine Person aus sozialen Beziehungen zurückzieht – das muss kein physischer, das kann auch ein emotionaler Rückzug sein. Eine Kühle, die man plötzlich im Kontakt wahrnimmt. Auch eine sonst unerklärbare Reduzierung der Arbeitsleistung kann ein Hinweis sein. Immer ernst nehmen sollte man konkrete Suizidpläne oder den geäußerten Wunsch, „einfach weg“ zu sein.

Wie kann man dann das Thema ansprechen?

Es ist immer wichtig, dabei auf die jeweilige Beziehungsform zu achten: Welche Hierarchien bestehen, welche Abhängigkeiten und wie ist das Vertrauensverhältnis? Es ist in jedem Fall falsch, schnelle Lösungsvorschläge oder Lebensweisheiten vorzutragen. Stattdessen sollte man dem Kollegen Verständnis und Wertschätzung entgegenbringen, eine Entlastung anbieten und auf konkrete, professionelle Hilfen hinweisen. Für Ärzte ist gerade letzteres oft besonders schwer, denn es bedeutet, in die Rolle eines Patienten zu wechseln.

Hier gibt es Hilfe

Wenn es Ihnen nicht gut geht oder Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, darüber mit anderen Menschen zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie sich melden können.

Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern lauten 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.

Weiterhin gibt es das Angebot eines Hilfe-Chats, den ebenfalls die Telefonseelsorge anbietet. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite der Telefonseelsorge. Informationen finden Sie unter: www.telefonseelsorge.de

28.06.2018 14:52:08, Autor: Das Interview führte Rasmus Cloes

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Dr. Günter Gerhardt schrieb 12 September 2018

12.9.2018: Es ist eines der letzten Tabus, Ärztinnen und Ärzte, die selbst psychisch krank sind, die sich mit ihren Problemen aber "oft hoffnungslos allein fühlen". In Großbritannien wird dieses Thema in jüngster Zeit häufiger öffentlich diskutiert...

Die Zahlen sind erschreckend.Zwischen 2011 und 2015 nahmen sich laut offitiellen Statistiken in England 430 Ärztinnen, Ärzte sowie Vertreter anderer Therapeutenberufe das Leben.

Dr. Günter Gerhardt schrieb 12 September 2018

Krankenhaus kann krank machen - v.a. Ärzte und Pflegekräfte

Nicht Klinik macht krank, sondern mangelnde Ressourcen und nicht funktionierende Strukturen, gekoppelt mit antiquiertem Führungsverhalten.

Dr. Günter Gerhardt schrieb 12 September 2018

 Alkohol, Cannabis und Co. - wenn Ärzte süchtig werden

Stress in der Klinik, Druck von Vorgesetzten, schwierige Patienten - es gibt viele Gründe, weshalb Ärzte zur Flasche greifen oder eine Pille einwerfen. Einige kommen davon nicht mehr los. Dr. Siegmund Drexler kennt viele solcher Schicksale. Seit 2007 ist er Drogen- und Suchtbeauftragter der LÄK Hessen.

Dr. Günter Gerhardt schrieb 02 November 2018

Ist das Arzt-Sein zu hart, bist du zu schwach

30.10.2018

Fast jeder zweite Medizinstudent entwickelt depressive Symptome. Was tun? Eine bessere Auswahl treffen. Wirklich? Wir als Ärzte müssen den jungen Kollegen beibringen, mit Belastungen umzugehen. Stattdessen vermitteln wir ihnen, Gefühlsregungen würden sie für den Arztberuf disqualifizieren.

Ich habe vor kurzem einen Artikel im Ärzteblatt gelesen, der mich seitdem nicht mehr wirklich loslässt. Der Absatz, der mich so irritiert hat, ist folgender:

„Tatsache ist jedoch: Bereits bei Medizinstudierenden tritt eine starke psychische Belastung mit häufig schwerwiegenden Auswirkungen auf. Über 40 Prozent der Studierenden entwickeln bereits vor dem ersten Staatsexamen depressive Symptome, eine fast genauso hohe Zahl leidet nach dem Abschluss unter manifesten Depressionen, Angst- und Abhängigkeitserkrankungen. Diese besorgniserregenden Prävalenzen gelten international und heben den dringenden Handlungsbedarf von Beginn des Medizinstudiums an hervor. Insgesamt haben Ärztinnen und Ärzte die höchsten Selbstmordraten unter sämtlichen Berufsgruppen.“


Mit besserer Auswahl gegen „emotionale Schwäche“?

Ich selbst arbeite mittlerweile in einer hausärztlichen Praxis, ich kann mich aber noch gut an die stressigen Zeiten im Studium und in der Klinik erinnern. Und trotzdem erschrecken mich diese Zahlen. Man muss sich das mal vorstellen: Knapp 40 Prozent der Medizinstudenten haben am Ende des Medizinstudiums eine ernsthafte psychische Erkrankung, die, je nach Ausprägung der Erkrankung, ihre Arbeitsfähigkeit, sie selbst und im Endeffekt auch die Patienten bedroht.

Dazu passende Ergebnisse liefern Wissenschaftler aus den USA: In einer Studie beschäftigen sie sich mit der Tatsache, dass die Burnout-Rate bei Medizinern innerhalb von drei Jahren von 45,5 Prozent auf 54,4 Prozent gestiegen ist (2011–2014). Ein besorgniserregender Trend, der im Studium beginnt und sich im Berufsleben manifestiert.

Die Autoren des Artikels im Ärzteblatt haben eine Antwort. Sie kommen zu dem Fazit, dass die Auswahl der prospektiven Ärzte sich verbessern muss und dafür entsprechende Auswahlkriterien gefunden werden müssen. Ich glaube, dass die Autoren vielleicht nur gute Absichten haben und das Problem der Burnout-Epidemie angehen wollen. Sicherlich entspricht die Vorstellung des „geborenen Arztes“ auch dem Zeitgeist. Leider kommt das Fazit für mich aber daher, als wolle man sagen „Ist das Studium zu hart, bist du zu schwach!“ und damit einhergehend ist man dann auch für den Arztberuf zu labil.

Warum ich diese Einstellung problematisch finde

Ich habe mit dieser Einstellung so meine Probleme. Ich glaube, dass dabei der Fokus zu sehr auf die Defizite des Einzelnen gelegt wird. Die Arbeitsbedingungen auf der einen Seite und der unter Ärzten gepflegten Umgang mit Krisen und Problemen leisten ihren Beitrag zum Auftreten psychischer Erkrankungen.

Dabei möchte ich in diesem Artikel nicht primär auf die formalen Arbeitsbedingungen wie Schreibarbeit, Schichtdienst, Arbeitszeiten eingehen. Das ist ein eigener und sicherlich riesiger Themabereich, der sehr regelmäßig diskutiert wird.

Mir geht es um den zweiten Aspekt: Die meines Erachtens nach abwegige Idee, dass man das Problem der „Burnout-Epidemie“ durch die richtigen „Auswahl“ lösen könne. Durch diese Einstellung entsteht eine problematische Atmosphäre in Kliniken.

Meine Zeit in der Klinik

Deswegen möchte ich meine eigenen Erfahrungen aus der Klinikzeit schildern. Ich habe in meiner Klinikzeit in zwei Krankenhäusern gearbeitet, in einer Uniklinik und einem größeren Krankenhaus in der Unistadt. Die Abteilung, in der ich an der Uniklinik gearbeitet habe, unterschied sich in der Größe nicht sehr von der anderen Klinik, in der Atmosphäre aber sehr.

An der Uniklinik galt, dass es eine Frage der eigenen Stärke sei, ob man mit dem Druck klarkomme. Gelang das nicht, war dies der Fehler des Arztes selbst. Dementsprechend schwierig war es, sich unter den ebenfalls erschöpften Kollegen Hilfe zu holen: „Ich hab keine Zeit, dir zu helfen! Warum hängst du dich da überhaupt so rein? Die hat doch eh ‘nen Tumor … “.

Auch die Oberärzte hatten selbst kaum Zeit, die Jung-Ärzte in Ruhe einzuarbeiten und ihnen praktische Konzepte für die häufigsten Krankheitsbilder an die Hand zu geben. Es wurde einfach erwartet, dass „ der richtige Arzt“ diese Konzepte parat hat.

Das Team war entsprechend jung, weil andauernd Leute die Abteilung verließen – die meisten danach so verunsichert, dass sie entweder die Fachrichtung gewechselt haben, sehr weit weg an ein möglichst kleines Haus gegangen sind oder auch nicht selten überhaupt gar nicht mehr als Arzt mit Patienten gearbeitet haben.

Der rettende Wechsel

Mir ging es nicht anders. Ich war nach kurzer Zeit völlig verunsichert, weinte oft zu Hause, es kam zu Streitigkeiten mit meinem Partner und ich hatte das Gefühl, dass ich auch beruflich nichts mehr schaffte, obwohl ich 11–12 Stunden täglich in der Klinik war.

Zu meinem Glück hatte ich bereits noch in der Probezeit die Möglichkeit, an eine andere große Klinik in derselben Stadt zu wechseln. Das führte zwar zu einem gewissen Spießrutenlauf für die Dauer vom Einreichen der Kündigung bis zum letzten Arbeitstag (und auch zu wenig freundlichen Blicken im Rahmen der lokalen Fortbildungsveranstaltungen in den nächsten Jahren), war für mich aber auch im Nachhinein der richtige Schritt.

In der neuen Klinik, die ich bereits aus dem PJ kannte, bei der aber keine Stelle frei war, als ich mich nach dem Staatsexamen beworben hatte, war die Atmosphäre ganz anders. Es gab viele Alt-Assistenten, die einem halfen, wenn es Unsicherheiten gab.

Reger Austausch in Klinik Nr. 2

Auch der Oberarzt kam morgens und abends vorbei, um Fragen zu besprechen und Konzepte zu erarbeiten. Dabei ging es nicht nur um technisch/fachliche Fragen. Auch wenn es jemandem emotional nicht gut ging, wurde das offen angesprochen. Und es wurde auch kein Geheimnis draus gemacht, dass so ziemlich jeder mal nach einem Dienst geheult hatte. Es gibt eben üble Dienste, emotional total verfahrene Situationen und da kommen einem nach dem Dienst manchmal die Tränen – mal aus Trauer, mal aus Erschöpfung, manchmal weiß man nicht, warum, man ist einfach nur fertig.

Man bekam durchaus Manöverkritik, aber auch positive Rückkopplung. Außerdem wurden auch die Fälle besprochen, in denen man aufgrund des fulminanten Krankheitsverlaufs einfach nichts machen konnte. Ein Fall drohte beispielsweise einen gerade frisch gebackenen Facharzt zu traumatisieren. Er hatte einen ca. 40-jährigen Patienten mit pneumogener Sepsis bei bislang ambulant unerkannter B-Zell-Leukämie nicht retten konnte, obwohl er alles versucht hatte.

Irgendwann muss jeder einmal weinen

Selbst mit den Studenten wurde das Thema psychische Belastung immer mal wieder angesprochen. Auch ich habe es immer wieder thematisiert und erinnere mich an ein Mal, als eine Studentin richtig sauer wurde, weil ich sagte, dass so ziemlich jeder Arzt nach dem Dienst mal weine, dass das völlig normal sei und einen nicht als Arzt disqualifiziere. Überzeugen konnte ich sie nicht, sie war der felsenfesten Überzeugung, dass man „als richtiger Arzt nicht heult“.

Ein paar Wochen später kam die besagte Studentin zurück auf unsere Station, um sich zu bedanken. Auf meine Frage, wofür sie sich denn bedanken wolle, erklärte sie mir, dass sie vor kurzem einen sehr heftigen Dienst als Pjlerin hatte. Als sie mit Tränen in den Augen nach Hause fuhr, fiel ihr unsere Diskussion wieder ein und sie war sehr dankbar dafür, dass man ihr vorher erklärt hatte, dass diese Situation früher oder später bei jedem mal auftrete und sie das nicht als Ärztin disqualifiziere.

Umgang mit Krisen muss man lernen

Interessanterweise fällt mir kein Kollege aus diesem Krankenhaus ein, der nicht mit Patienten weitergearbeitet hätte. Diejenigen, die nach einiger Zeit dann doch aus der Klinik gingen, gingen größtenteils in eine Praxis, manche blieben auch nach dem Facharzt noch für ein paar Jahre. Es gab durchaus auch Kollegen, die über kurz oder lang merkten, dass das Arbeitstempo im Krankenhaus ihnen zu hoch war. Aber deswegen wurde nicht gleich die eigene Qualifikation in Frage gestellt, sondern eher überlegt, wo man als Arzt stattdessen arbeiten könnte.

Deswegen mein persönliches Fazit aus diesen Erfahrungen: Natürlich ist der ärztliche Beruf gerade in einigen Fachbereichen so anstrengend, dass nicht jeder das auf Dauer machen will oder kann. Und es gibt auch ein Zuviel, bei dem die Schwelle zum Burnout/Erschöpfungsdepression überschritten wird, dann liegt eine behandlungsbedürftige Erkrankung vor.

Aber wenn ich jemandem direkt bei der ersten Krise erzähle, er sei einfach nicht dazu gemacht, Arzt zu sein, kann er auch an diesen Krisen nicht wachsen und nicht daraus lernen, sondern wird schlimmstenfalls diese Einschätzung übernehmen und vielleicht überhaupt nicht als Arzt arbeiten.

Übung macht den Meister

Und für diejenigen, die jetzt über Kosten nachdenken: Wenn 40 Prozent der Jung-Ärzte, die für je 200.000–250.000 Euro ausgebildeten wurden, eine psychische Erkrankung haben, die ja bekanntermaßen häufig die Erwerbstätigkeit gefährdet, wird es sich höchstwahrscheinlich deutlich schneller rechnen, diese Quote zu verringern, als 10 Prozent mehr Studienplätze zu schaffen.

Das Arztsein hat meiner Meinung nach viel mit Übung zu tun. Nicht nur mit theoretischem Wissen und praktischen Fertigkeiten wie Blutabnehmen, sondern auch mit der psychischen Seite, der Umgang mit emotionaler Belastung, Verantwortung und Stress muss erlernt werden. Leider übt man diese Seite meist nicht im Studium, obwohl es für die dauerhafte Tätigkeit als Arzt eine extrem wichtige Eigenschaft ist. Niemand ist „als Arzt geboren“ und wir alle mussten uns erstmal in das Arztsein einfinden. Dafür braucht man aber Zeit und auch kollegiale Unterstützung.

Deswegen würde ich folgendes vorschlagen:


Kurzum: Lasst die Leute in ihren Krisen nicht allein nach dem Motto „Du bist zu schwach“ sondern gebt ihnen die Möglichkeit, in den Beruf hineinzuwachsen – so, wie wir alle mal reingewachsen sind.

 

Dr. Günter Gerhardt schrieb 02 November 2018

THEMEN DER ZEIT

Auswahl von Medizinstudierenden: Sollen, können – und aushalten

Dtsch Arztebl 2018; 115(41): A-1799 / B-1514 / C-1500

LNSLNS

Der Arztberuf fordert nicht nur ein hohes Maß an Wissen und Fertigkeiten, sondern auch an Durchhaltevermögen und psychischer Belastbarkeit. In vielen Kompetenzprofilen stellt dieser Themenkreis immer noch ein Tabu dar, nicht jedoch im Erlanger Projekt „KomMedment“.

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Welche Fähigkeiten und Kompetenzen zeichnen eine erfolgreiche Ärztin oder einen guten Arzt aus? Diese Frage spielt angesichts der begrenzten Medizinstudienplätze eine große Rolle. Ziel der Zulassungsverfahren zum Medizinstudium muss es deshalb sein, die am besten geeigneten Bewerber und Bewerberinnen zu finden. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass außer dem Abitur weitere Kriterien zur Beurteilung der Eignung heranzuziehen sind (1). Doch welche? Selbstorganisation zur Bewältigung steigender Anforderungen, das Wissen um die eigenen Fähigkeiten und Stärken außerhalb theoretischer Lerninhalte, die gezielte Weiterentwicklung eigener Kompetenzen und stetige Wissensaktualisierung sind einige Beispiele für Forderungen.

 

Zudem gibt es bereits erste Ansätze, mithilfe von Kompetenzprofilen, die geeigneten Voraussetzungen schon vor dem Beginn des Medizinstudiums abzubilden (24). Bei diesen Kompetenzen stellt allerdings ein Themenkreis immer noch ein Tabu dar: die psychische Gesundheit der Nachwuchsärzte.

Belastung bereits im Studium

Tatsache ist jedoch: Bereits bei Medizinstudierenden tritt eine starke psychische Belastung mit häufig schwerwiegenden Auswirkungen auf. Über 40 Prozent der Studierenden entwickeln bereits vor dem ersten Staatsexamen depressive Symptome (511), eine fast genauso hohe Zahl leidet nach dem Abschluss unter manifesten Depressionen, Angst- (12, 13) und Abhängigkeitserkrankungen (14, 15). Diese besorgniserregenden Prävalenzen gelten international und heben den dringenden Handlungsbedarf von Beginn des Medizinstudiums an hervor (11, 16). Insgesamt haben Ärztinnen und Ärzte die höchsten Selbstmordraten unter sämtlichen Berufsgruppen (1719).

Der Umgang mit der Verantwortung und Aufgabenlast im Medizinstudium und im medizinischen Alltag, die hohen Anforderungen durch den Umgang mit Patienten, Leistungsträgern und Mitarbeitern, die gesellschaftliche Garantenstellung und die tägliche Auseinandersetzung mit Leiden und Tod, sind bis zu einem gewissen Grad trainierbar (2022). Die Kompetenz, sich psychisch gesund zu halten und dadurch langfristig leistungsfähig und stabil zu bleiben, wird allerdings bislang im medizinischen Ausbildungscurriculum nahezu völlig vernachlässigt.

Notwendig sind deshalb valide und überall in Deutschland einsetzbare Werkzeuge, die bereits bei der Auswahl Medizinstudierender mit der höchsten Wahrscheinlichkeit diejenigen identifizieren, die sich aufgrund ihrer Kompetenzen sowohl zu fachlich qualifizierten Ärzten entwickeln können als auch in ihrem klinischen Alltag psychisch stabil bleiben.

Test der psychischen Stabilität

Vor diesem Hintergrund wurde das Erlanger Projekt „KomMedment“ (Kompetenzen Medizinstudierender im Zusammenhang mit mentaler Gesundheit), entwickelt (siehe Kasten). Die Anforderungen an Medizinstudierende lassen sich so sinnvoll und umfänglich erfassen und in einen Kontext mit der psychischen Stabilität der künftigen Ärzte als relevanten Faktor für die ärztliche Tätigkeit setzen.

Ziel war, die Kompetenzen für den Hochschulstandort Erlangen zu identifizieren, die angehende Medizinstudierende einbringen und (weiter)entwickeln müssen, um im professionellen Kontext leistungs- und belastungsfähig sowie gesund zu bleiben (25). Gewisse Anforderungen an die Studierenden sind dabei ubiquitär vorhanden, andere sind abhängig von den Gegebenheiten des Studienortes. Beispielsweise können das Curriculum vor Ort und die zusätzlichen Lern- und sozialen Angebote entscheidenden Einfluss nehmen.

Erste Ergebnisse zeigen: Vor dem Hintergrund der zahlreichen, stressbeeinflussten, psychischen Erkrankungen bei Ärztinnen und Ärzten ist eine gezieltere Auswahl und Rekrutierung bereits beim Eintritt in die universitäre Ausbildung längst überfällig. Auch wenn ein initialer Aufwand durch die Erstellung des Kompetenzprofils für die Fakultäten anfällt, überwiegen die möglichen Vorteile einer solchen Investition. Für die Universitäten könnte die Auswahl von belastbarerem, wissenschaftlichem Nachwuchs erleichtert werden. Gleichzeitig würden bei einer Auswahl nach individuellen Kompetenzen, die einen guten, universell einsetzbaren Mediziner definieren, auch viel eher die Kriterien erfüllt, welche in der politischen Diskussion um Landärzte und Allgemeinmediziner gefordert werden.

Der Nationale Kompetenzorientierte Lernzielkatalog Medizin/Zahnmedizin (26) definiert das zu erwerbende Wissen und die Fähigkeiten der Studierenden (27). Die Identifizierung eines speziellen Anforderungsprofils für Medizinstudierende kann eine neue Perspektive für den Auswahlprozess darstellen. In den mitgebrachten Kompetenzen, vergleichbar zum Lernprozess (28), bestehen Unterschiede zwischen den Studierenden, denen Rechnung getragen werden sollte. Denn psychisch erkrankte Ärzte stellen ein Risiko für sich und ihre Patienten dar (17, 2931).

Eine gezieltere Auswahl bereits beim Eintritt in die universitäre Ausbildung könnte auf mehreren Ebenen positive Effekte mit sich bringen. Auch wenn ein initialer Aufwand für die Fakultäten anfällt, überwiegen die möglichen Vorteile. Für die Universitäten könnte die Auswahl von belastbarerem, wissenschaftlichem Nachwuchs erleichtert werden. Gleichzeitig würden auch die Kriterien erfüllt, welche in der politischen Diskussion um Landärzte und Allgemeinmediziner gefordert werden.

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Michael Scholz, Dr. med. Dr. rer. nat. Pascal Burger,
Prof. Dr. med. Friedrich Paulsen,

Universität Erlangen-Nürnberg

Literatur und Anforderungsanalyse
unter: www.aerzteblatt.de/lit4118
oder über QR-Code

Das Projekt „KomMedment“

Bei dem Erlanger Projekt „KomMedment“ (Kompetenzen Medizinstudierender in Zusammenhang mit mentaler Gesundheit) wurde in Zusammenarbeit mit dem Centrum für Kompetenzbilanzierung (CeKom SÜD, Pforzheim) und einem lokalen Kompetenzteam ein Sollprofil für Medizinstudierende an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg erarbeitet.

Dabei stellen die Kompetenzen „Fähigkeiten zum selbstorganisierten Denken und Handeln“ (23, 24) dar. Für die Einschätzung der Fähigkeiten der Studierenden wurde mit dem KODE®Verfahren (Kompetenz-Diagnostik- und Entwicklung) ein etabliertes und differenziertes Diagnostik-, Trainings- und Coaching-Tool eingesetzt (2), das personale Kompetenz, Aktivitäts-und Handlungskompetenz, Fach- und Methodenkompetenz sowie sozial-kommunikative Kompetenz unterscheidet.

Aus KODE® wurden 16 Schlüsselkompetenzen ermittelt und unter erfolgskritischen Gesichtspunkten für das Medizinstudium der FAU angeordnet. Die meisten der 16 Kernkompetenzen kamen aus den Bereichen Fach- und Methodenkompetenz (5/16) und der personalen (6/16) Kompetenz. Aktivitäts-/Handlungskompetenz (3/16) sowie sozial-kommunikative Kompetenz (2/16) erschienen weniger notwendig bei dem in Erlangen bestehenden, klassischen Curriculum. Für die Erstellung des Erlanger Kompetenzprofils wurden Teilnehmer ausgewählt, die einen möglichst aussagekräftigen Querschnitt durch die an der Lehre beteiligten Dozenten und Studierenden unterschiedlichen Ausbildungsstandes abbildeten. Alle teilnehmenden Studierenden sind/waren zudem gleichzeitig an der Lehre der FAU bei verschiedenen Lehrveranstaltungen als Tutoren beteiligt.

Themen: Studienplatzvergabe Arztberuf

Auswahl von Medizinstudierenden: Sollen, können – und aushalten

 

Zum Artikel

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Dr. Günter Gerhardt schrieb 02 Juni 2019

"Wenn die Arbeit Ärzte krank macht" Thema auf dem 122. Ärztetag im Mai 2019 in Münster

Dr. Günter Gerhardt schrieb 20 Januar 2020

Sucht-Krankheiten bei Ärzten

Erhöhtes Risiko, aber gute Prognose

Ärztinnen und Ärzte sind berufsbedingt besonders gefährdet für psychische Erkrankungen, darunter auch Sucht-Krankheiten. Bei rascher Behandlung hätten Ärzte allerdings eine sehr gute Prognose, ihre Approbation zu erhalten und weiter als Ärzte arbeiten zu können, berichten Dr. med. Ahmad Bransi, Chefarzt der Oberberg Fachklinik Weserbergland, und seine Kollegen von der MHH in einem aktuellen Beitrag zu Sucht-Krankheiten bei Ärzten.

Aufgrund berufsbedingter psychischer und physischer Belastungen haben Ärzte ein erhöhtes Risiko für Burn-out, Depression und Abhängigkeitserkrankungen.
© wutzkoh/Fotolia.com

Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Alkohol- und der Medikamenten-Sucht. Aussagekräftige Studien zur Häufigkeit nicht-substanzgebundener Abhängigkeiten (wie Spielsucht, Internetsucht, Essstörungen, Sexsucht und Arbeitssucht) fehlten bei Ärzten, so die Psychiater und Psychotherapeuten.

Ärzte sind, wie die Autoren schreiben, trotz ihres Wissensvorsprungs gegenüber der Bevölkerung nicht von Substanzkonsumstörungen und Suchtkrankheiten gefeit. Bereits im Jahr 1869 habe Sir James Paget über Suchterkrankungen bei seinen Medizinstudenten mit einer Prävalenz von 0,5 Prozent geklagt, kurze Zeit später hätte William Osler die Beobachtung gemacht, dass Ärzte einen hohen Morphingebrauch betrieben. Mehrere Studien hätten inzwischen auch belegt, dass Ärzte aufgrund berufsbedingter psychischer und physischer Belastungen ein erhöhtes Risiko für Burn-out, Depression und eben auch Abhängigkeitserkrankungen hätten, hierbei vor allem Missbrauch und Abhängigkeit von Alkohol und Medikamenten.

Laut Bundesärztekammern sei davon auszugehen, dass Ärzte im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich häufiger eine Substanz-Konsumstörung entwickeln (Lebenszeitprävalenz vermutlich 7–8 % versus 5–6 %). Alkohol sei (neben Nikotin) die am häufigsten zur Abhängigkeit führende Substanz. In etwa 70 Prozent der Sucht-Erkrankungen bei Ärzten, die tatsächlich bekannt würden, handele es sich um die Alkohol-Sucht, hieß es vor wenigen Jahren im „Deutschen Ärzteblatt“.

Verlässliche Daten bei Ärzten seien jedoch aufgrund der immer noch hohen Tabuisierung des Themas mit drohendem Approbationsentzug aber rar, insbesondere in Deutschland. Die Autoren einer ersten großen Fragebogen-Erhebung auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde 2005 seien zu dem Schluss gekommen, dass vermutlich 40 Prozent der Ärzte einen riskanten Alkoholkonsum betrieben. 2008 haben die erste repräsentative Studie zum Alkoholkonsum bei Klinikärzten mit rund 1900 Fragebögen, einen riskanten Alkoholkonsum (AUDIT-C Cut-off-Wert ≥5) bei 19,8 % und „binge drinking“ (≥60 g Alkohol/Tag bei einer Gelegenheit) bei 53 % der Befragten ergeben.

Die Mehrheit der Befragten habe angegeben, weniger als einmal im Monat klinisch relevante Mengen Alkohol zu konsumieren. In dieser Untersuchung schienen laut Bransi und seinen Mitautoren Urologen (34 % riskanter Alkoholkonsum) und Anästhesisten (24,8% riskanter Alkoholkonsum) besonders gefährdet zu sein, gefolgt von Radiologen (24,7 % riskanter Alkoholkonsum) und Chirurgen (23,8 % riskanter Alkoholkonsum). Psychiater hätten mit sieben Prozent die geringste Rate an riskantem Alkoholkonsums aufgewiesen.

Erhöhter Alkoholkonsum schon bei Medizinstudenten

Ein erhöhter Alkoholkonsum sei sogar schon bei Medizinstudenten zu beobachten. So habe eine Studie von 2009 mit 642 Ärzten und 298 Medizinstudenten an deutschen Universitäten ein problematisches Trinkverhalten bei mehr als einem Drittel der Befragten gezeigt. Bei den Ärzten, die durchschnittlich 10,88g Alkohol pro Tag konsumiert hätten, habe die Rate bei 25% gelegen, bei den Medizinstudenten bei 33% (durchschnittlich 25,77g/Tag). Einen riskanten Alkoholkonsum (>40g/Tag für Männer, >20g/Tag für Frauen) hätten 17,5 % der männlichen Ärzte und neun Prozent der männlichen Studenten an gegeben, „binge drinking“ 30 % der männlichen Studenten, aber weniger als zehn Prozent der Ärzte. Frauen seien signifikant seltener betroffen gewesen. Allerdings hätten 25,3% der Ärztinnen und 30,4% der Studentinnen mehr als 10g Alkohol/Tag. konsumiert.

Erhöht ist bei Ärztinnen und Ärzten, bedingt auch durch den relativ unkomplizierten Zugang, außerdem das Risiko für den Missbrauch von Psychopharmaka. In einer deutschen Stichprobe hätten neun Prozent der Ärzte und Ärztinnen zum Zeitpunkt der Untersuchung Antidepressiva und/oder Sedativa eigenommen. Besonders besorgniserregend sei laut Bransi und seinen Kollegen in den letzten Jahren der Anstieg des Missbrauchs von Propofol, einem intravenös zu applizierenden Hypnotikum ohne analgetische Wirkung mit ausgeprägtem abhängigkeitsinduzierendem Potenzial und entspannender, angstlösender und leicht euphorisierender und sexuell enthemmender Wirkung. Allerdings habe es auch toxische und potenziell letale Nebenwirkungen.

Die Diagnostik einer Sucht-Erkrankung bei Ärzten könne sehr komplex sein, erläutern die Psychiater weiter. Hierzu trügen psychologische Faktoren (bspw. Wechsel in die Patientenrolle, Schamgefühle, Insuffizienzerleben), berufliche (Sorge vor Stigmatisierung) und befürchtete rechtliche Konsequenzen (Entzug der Approbation) sowie Angst vor Stigmatisierung bei. Die eigene Sucht zu problematisieren, gelte zudem als Tabuthema. Dabei sei die Prognose bei Ärztinnen und Ärzten gut. Nach Zahlen der Landesärztekammern, von denen die meisten in den letzten Jahren strukturierte Therapie-Programme für suchtkranke Ärzte aufgebaut hätten, könne drei Viertel der erstmalig Betroffenen unter Erhalt der Approbation und des Arbeitsplatzes geholfen werden.

 

18.01.2020 07:11:30, Autor: Dr. med. Thomas Kron

 

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