24.9.2017 kurz vor 19 Uhr. AfD dritter Platz. Jamaika?

  • 944 Aufrufe
  • Letzter Beitrag 24 September 2017
Dr. Günter Gerhardt schrieb 24 September 2017

Verluste bei CDU, SPD. SPD will die Opposition anführen. Jamaika wird immer wahrscheinlicher und die Bürgerversicherung immer unwahrscheinlicher.

Sortieren nach: Standard | Neueste | Stimmen
Dr. Günter Gerhardt schrieb 24 September 2017

Özdemir: "Wir wollen nicht regieren, um des Regierens willen“
Es sei ein Abend, um innezuhalten, sagt Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir im ZDF. "Es gibt eine dramatische Spaltung in unserer Gesellschaft. Wir müssen uns alle Gedanken machen - auch wir Grünen." Zu einer möglichen Jamaika-Koalition will sich Özdemir aber noch nicht konkret äußern. "Wir wollen nicht regieren, um des Regierens willen.“ Die Grünen seien eine Partei der Nachhaltigkeit. "Ohne Klimaschutz kann ich keinen Koalitionsvertrag unterschreiben." Außerdem nennt er soziale Gerechtigkeit und eine pro-europäische Politik als Bedingungen: "Ohne diese Punkte gehen wir in die Opposition."

  • vor 11 Min.Karin Janker   Schulz will nicht Fraktionsvorsitzender werden - aber SPD-Chef bleiben
    Martin Schulz will zwar Parteichef bleiben, strebt aber nicht den Vorsitz der SPD-Fraktion im Bundestag an. Zuvor hatte er bereits angekündigt, in die Opposition gehen zu wollen. Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke hingegen möchte eine Fortsetzung der großen Koalition nicht vollkommen ausschließen. Es gebe schließlich auch eine staatspolitische Verantwortung der SPD für Deutschland, betonte er, gerade weil "jetzt eine Partei im Bundestag sitzt, die in Teilen immer wieder rechtsextreme Töne anschlägt“.
  • vor 13 Min.sz.de  
    "Die Menschen haben uns ein Comeback ermöglicht." Die One-Man-Show des Christian Lindner hat sich gelohnt, die FDP zieht wieder in den Bundestag ein. Die Liberalen belohnen ihren Vorsitzenden mit Applaus nach so gut wie jedem Satz - die langen Pausen zwischen den Sätzen laden dazu aber auch ein.

  • vor 17 Min.Deniz Aykanat   Höhere Wahlbeteiligung: Vor allem München sticht hervor
    In diesem Jahr sind mehr Menschen zur Wahl gegangen als bei der vergangenen Bundestagswahl. 2013 beteiligten sich 71,5 Prozent der wahlberechtigten Deutschen an der Bundestagswahl. Dieses Jahr sind es 76,5 Prozent. Besonders sticht München hervor: 89,3 Prozent der Wähler haben ihre Stimme kurz vor Schließung der Wahllkolage abgegeben. 2013 waren es zum selben Zeitpunkt 70,6 Prozent.
  • vor 18 Min.Jakob Schulz   Merkel will gleich weiterarbeiten
    Bevor Angel Merkel auf der CDU-Wahlparty die Bühne verlässt, bedankt sie sich bei ihren Wahlkämpfern. "Dieser Wahlkampf hat wirklich Spaß gemacht", ruft sie. Sie müsse jetzt zur TV-Runde der Spitzenkandidaten, entschuldigt sie sich, danach komme sie aber aber gleich wieder. "Dann feiern wir noch ein bisschen und dann geht es wieder ran an die Arbeit", verspricht sie.
  • vor 18 Min.sz.de  
    "Wer will, kann gerne über mich diskutieren oder zu weiteren Taten schreiten", sagt CSU-Chef Horst Seehofer, dessen Partei ebenfalls massiv Stimmen eingebüßt hat. Applaus von Generalsekretär Andreas Scheuer gibt es jedenfalls erst mal. (Foto: Getty Images/Lennart Preiss)

  • vor 24 Min.Bernhard Hiergeist   CSU-Mann Weber zeigt sich gelassen
    Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der Konservativen im Europaparlament und Mitglied des Parteipräsidiums der CSU, gibt sich besonnen. "Man darf nicht vergessen, dass keine Koalition ohne die Union gebildet werden kann", sagt er in der Parteizentrale in München. Darum sei das starke Ergebnis der AfD auch nicht überzubewerten. Man werde sehen, wie sich die parlamentarische Arbeit gestalte. Hat Seehofer die Partei falsch auf den Wahlkampf eingestellt? "Den Kurs haben wir in der Partei gemeinsam abgestimmt", sagt Weber. Eine Personaldiskussion werde absolut nicht geführt.
  • vor 25 Min. Berlin   Weidel kündigt "Untersuchungsausschuss Angela Merkel" an
    Alice Weidel betritt den Traffic-Club, und sofort umringt sie eine Traube aus Sympathisanten und Journalisten. Auf dem Podium angekommen gibt sich Weidel weniger scharf, als man das in den vergangenen Wochen von ihr kannte. Mit "Demut" wolle man Oppositionsarbeit im Bundestag machen, das Wort sagt sie drei Mal. Sie ermahnt die künftigen Bundestagsabgeordneten, im Parlament "sorgfältig" vorzugehen, das schulde man dem Wähler. Und sie kündigt an, die AfD werde den "Untersuchungsausschuss Angela Merkel initiieren, der sich ganz dezidiert mit den Rechtsbrüchen dieser Dame beschäftigen wird."
  • vor 25 Min.Jakob Schulz   Merkel will AfD-Wähler zurückgewinnen
    Das Wahlergebnis für die Union ist eine Katastrophe. Oder, wie Kanzlerin Angela Merkel ihren Anhängern von der Bühne zuruft: Sie freue sich, dass die CDU ihre "strategischen Ziele" erreicht habe. Und: Ohne die Union könne keine Regierung gebildet werden. An diesem Wahlabend muss das offenbar reichen. Merkel spricht aber auch über den Aufstieg der AfD. In der kommenden Legislatur wolle sie die Sorgen der AfD-Wähler lösen und ihnen ihre Ängste nehmen, "vor allem durch gute Politik", ruft Merkel den CDU-Anhängern im Konrad-Adenauer-Haus zu.
  • vor 28 Min. Berlin   Die Siegesfaust geballt - diese Geste vom Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, lässt sich öfter beobachten bei der Wahlparty. Die Unterstützer feiern das überraschend gute Abschneiden ihrer Partei, viele liegen sich in den Armen, überall klopft man sich auf die Schulter. Gleichzeitig zeigt sich die Grünen-Spitze erschüttert vom starken Einzug der AfD ins Parlament und spricht von einem "Beben".
  • vor 28 Min.Deniz Aykanat   Schulz: "Wir haben diese Wahl verloren - krachend"
    SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sieht im Ergebnis der Bundestagswahl einen klaren Regierungsauftrag der Wähler an Kanzlerin Merkel. "Wir haben diese Wahl verloren - krachend", gesteht er ein. Allerdings habe auch die Union ein "Desaster" erlebt. Die Frage, ob die angekündigte Verweigerung der SPD für eine neuerliche große Koalition endgültig sei, beantwortet er mit "Ja". Der Wähler habe den Sozialdemokraten ein Mandat zur Opposition gegeben. Für ihn sei ganz klar: "Wir sind die Partei der Opposition".
  • vor 29 Min.Deniz Aykanat   Neueste Hochrechnung des ZDF in Prozent
    CDU/CSU: 33,2
    SPD: 20,8
    Linke: 8,9
    Grüne: 9,3
    FDP: 10,1
    AfD: 13,2
  • vor 29 Min.sz.de  

    Stärkste Kraft, doch herbe Verluste: CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel zeigt sich im Konrad-Adenauer-Haus gelassen.
  • vor 33 Min.Deniz Aykanat   SPD steht hinter Martin Schulz
    Trotz der historischen Wahlniederlage der Sozialdemokraten spricht sich das Spitzenpersonal der SPD nach und nach für Schulz aus. Schwesig und Oppermann machen früh klar, dass Schulz Parteichef bleiben solle. Er selbst bestätigt dies kurz darauf im Willy-Brandt-Haus. Auch Hamburgs Regierender Bürgermeister Olaf Scholz antwortet auf die Frage, ob Schulz nun Parteichef bleiben könne, in der ARD: "Selbstverständlich kann er das." Es sei auch richtig, dass die SPD jetzt in die Opposition gehe. "Es ist für demokratische Debatte wichtig, dass die SPD die Oppositionsführerin ist."
  • vor 34 Min.Karin Janker   Merkel: "Die Ängste der Menschen mehr ernstnehmen"
    Ein Satz zur Fehler-Analyse kommt von Kanzlerin Merkel am Ende dann doch: Man wolle sich künftig bemühen, die Ängste der Menschen mehr ernstzunehmen. Die restliche Fehlersuche überlässt Merkel offenbar anderen. Immerhin hat die Union im Vergleich zur letzten Wahl 8,6 Prozentpunkte verloren - das schlechteste Ergebnis seit 1949.
  • vor 37 Min.Karin Janker   Wunschlos glücklich: die alte und wohl auch neue Bundeskanzlerin
    Angela Merkel gibt vor versammelten CDU-Anhängern zwar zu, dass sich die Union ein besseres Ergebnis erhofft hatte. Aber von den Verlusten will sie sich ihren Abend offenbar nicht verderben lassen: "Wir haben den Auftrag, eine Regierung zu bilden und gegen uns kann keine Regierung gebildet werden." Die Anhänger jubeln. Merkel scheint wunschlos glücklich.
  • vor 37 Min.Bernhard Hiergeist   "Horst, Horst, Horst"-Rufe - trotz der Verluste der CSU
    In der CSU-Zentrale ist nun Horst Seehofer auf die Bühne getreten. "Es gibt nichts zu beschönigen", sagt der Parteichef und bayerische Ministerpräsident. Er nennt das Ergebnis eine "herbe Enttäuschung", sowohl für CDU/CSU in Deutschland als auch für die CSU in Bayern. Man habe nun eine offene Flanke auf der rechten Seite, diese gelte es in den kommenden Wochen zu schließen. Seehofer beruft sich auf den sogenannten "Bayernplan" seiner Partei. Der soll auch in Koalitionsverhandlungen maßgeblich bleiben. Ohne die Forderungen aus dem Bayernplan in einer künftigen Regierung vertreten zu sehen, brauche "kein Parteivorsitzender aus Berlin zurückkommen". Deutschland müsse Deutschland, Bayern Bayern bleiben, das ist Seehofer zufolge das Hauptziel der CSU, auch im Hinblick auf die Landtagswahl im kommenden Jahr.

    "Packen wir es an", sagt Seehofer und dankt den Wahlkämpfern, vor allem Generalsekretär Andreas Scheuer. Dann kommt der Parteivorstand auf die Bühne, Seehofer bekommt anhaltenden Applaus, zeitweise entsteht sogar ein kleiner "Horst, Horst, Horst"-Sprechchor. Der Parteichef nimmt das milde lächelnd zur Kenntnis, ein leicht sorgenvoller Zug um die Lippen bleibt.
  • vor 39 Min. @FDP   Lindner: Erstmal Kraft tanken
    "Morgen konstituiert sich die neue FDP-Bundestagsfraktion. Heute Abend tanken wir erstmal Kraft", mit diesen Worten schließt Lindner. Kraft wird die FDP brauchen, wenn es tatsächlich auf Jamaika hinausläuft. Von Null auf Regierung - das ist schwer. Es gibt nicht wenige, die finden: so weit ist die FDP noch nicht. Und Kraft tanken in der Opposition wäre besser.
  • vor 41 Min.sz.de   Ministerpräsident Weil: Schulz nicht verantwortlich für Niederlage
    Im ZDF wird der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gefragt, warum denn nach der krachenden Niederlage keiner die Verantwortung dafür übernehme. Seine Antwort: Weil Spitzenkandidat Martin Schulz nicht dafür verantwortlich sei. Dieser habe erst Anfang des Jahres die Verantwortung für die Partei übernommen – die SPD aber bereits die letzten drei Bundestagswahlen schlechte Ergebnisse eingefahren.

Dr. Günter Gerhardt schrieb 24 September 2017

Nach dem desaströsen Wahlergebnis der SPD will die Partei in die Opposition gehen. Das kündigte SPD-Vize Manuela Schwesig im ZDF an. Schulz als Parteivorsitzender stehe nicht in Frage.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und Parteivize Manuela Schwesig haben sich dafür ausgesprochen, dass SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz trotz des Absturzes der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl Parteichef bleiben soll. "Er wird diesen Erneuerungsprozess jetzt fortsetzen", sagte Oppermann am Sonntag nach den ersten Prognosen in der ARD. "Wir gewinnen gemeinsam und wir verlieren gemeinsam."

Die frühere Familienministerin und heutige Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern, Schwesig, sagte, Schulz habe einen engagierten Wahlkampf gemacht. Es sei wichtig, "dass wir jetzt auch gemeinsam diese Niederlage tragen". Schulz als Parteivorsitzender stehe nicht in Frage.

 

Oppermann sprach von einer "bittere Wahlniederlage für die SPD". Er sprach sich gegen eine neue große Koalition aus. "Der Platz der SPD ist bei diesem Wahlergebnis in der Opposition", sagte er. "Das Wahlergebnis insgesamt ist eine Absage an die große Koalition."

SPD mit 20,2 bis 20,8 Prozent

Die Union hat ersten Hochrechnungen zufolge die Bundestagswahl am Sonntag trotz dramatischer Verluste gewonnen. Sie kommt auf 32,7 bis 33,3 Prozent, während die rechtspopulistische AfD mit 13,2 bis 13,4 Prozent als drittstärkste Kraft erstmals in den Bundestag einzieht, wie aus den Hochrechnungen der Institute Infratest dimap in der ARD und der Forschunsgruppe Wahlen im ZDF hervorgeht. Die SPD steuert demnach mit 20,2 bis 20,8 Prozent auf eine historische Niederlage zu.

 

 

 

 

 

Angehängte Dateien

Dr. Günter Gerhardt schrieb 24 September 2017

Die Deutschen haben 18 Bundestage gewählt – und nicht immer stimmten die Vorhersagen: Die sozialliberale Regierung kam unerwartet. Rot-Grün hielten viele Demoskopen 1998 für kaum vorstellbar. Ein Rückblick.

Im Mai 1949 wurde das Grundgesetz verabschiedet, im August der erste Bundestag gewählt. Die SPD erwartet einen Sieg, landet aber nach der Auszählung knapp auf dem zweiten Platz. Alles deutet auf eine schwarz-rote Regierung hin, doch Konrad Adenauer schmiedet eine kleine Koalition mit der FDP und der nationalkonservativen Deutschen Partei.

Die Fünfprozenthürde gilt 1949 auf die einzelnen Bundesländer bezogen. Deshalb schaffen es mehrere Regionalparteien in den Bundestag – die Bayernpartei etwa oder das Zentrum in Nordrhein-Westfalen.

Geschichte, Bundestagswahlen, Ausgang, Adler, Bundesadler© Bund, Welt Edition / Montage Geschichte, Bundestagswahlen, Ausgang, Adler, Bundesadler

Das Wirtschaftswunder prägt die zweite Bundestagswahl. Offensichtlich ist die Politik von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard erfolgreich – das spüren die Menschen in ihrem Portemonnaie. Die Wachstumsrate beträgt gegenüber 1952 rund sieben Prozent. Die Westdeutschen sind zufrieden mit der Regierung Adenauer, und der niedergeschlagene Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953 warnt vor sozialistischen Experimenten.

Die CDU/CSU gewinnt 14,2 Prozent hinzu – der größte Sprung in der bundesdeutschen Geschichte. Die neue einheitliche Fünfprozenthürde wirkt.

Bewährtem soll man treu bleiben. Auf dieses Motto setzt die CDU/CSU und plakatiert das Haupt des 81-jährigen Kanzlers Konrad Adenauer mit dem Slogan "Keine Experimente". Der Wahlkampf ist hart, der kampfeslustige Regierungschef spricht von "Finis Germaniae", falls die SPD gewinnen sollte. Es kommt anders: CDU/CSU gewinnen zum ersten und einzigen Mal die absolute Mehrheit der Stimmen und Mandate.

Zum ersten Mal dürfen die Saarländer bei einer Bundestagswahl abstimmen. Die Region mit viel Schwerindustrie gehört erst seit 1955 zur Bundesrepublik.

Mauer und Stacheldraht quer durch Berlin überschatten den Wahlkampf. Trotzdem kann sich der Regierende Bürgermeister der geteilten Stadt, der SPD-Kandidat Willy Brandt, nicht gegen Adenauer durchsetzen: In der Krise setzen die Westdeutschen auf Erfahrung, auch wenn die SPD im "Godesberger Programm" Westbindung und soziale Marktwirtschaft akzeptieren.

Die CDU verliert aus Unmut über den schon greisen Adenauer vier Prozent, der mutmaßliche Koalitionspartner FDP gewinnt. Der Kanzler muss zugestehen, nach zwei Jahren zurückzutreten.

Erneut tritt für die SPD Willy Brandt als Kanzlerkandidat an. Sein Gegner ist der langjährige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, der 1963 Adenauers im Kanzleramt gefolgt ist. Die CDU/CSU legt zu, weil das gewohnte Wirtschaftswunder zu schwächeln beginnt und man Erhard am ehesten zutraut, das Stottern zu überwinden. Verlierer der Wahl ist die FDP, die ein Viertel ihrer Wähler verliert.

Die Slogans der Parteien ähneln einander zum Verwechseln. Auch im Wahlkampf werden zwischen CDU/CSU und SPD bis auf die Köpfe keine nennenswerten Unterschiede deutlich.

Machtwechsel. Auf die erste Große Koalition seit Ende 1966 folgt die erste sozialliberale Regierung. Auf den Straßen rebelliert die APO. Kanzler wird, nach seiner dritten Kandidatur, Willy Brandt. Die FDP hat sich nach links gewendet. Mit nur zwölf Abgeordneten ist die Mehrheit jedoch knapp. Trotzdem geht Brandt ein außen- und innenpolitisches Reformprogramm an.

Der bisherige Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger rechnet in der Wahlnacht mit einem Sieg, doch die 4,3 Prozent für die NPD kosten die Union die entscheidenden Mandate im Bundestag.

Das gescheiterte Misstrauensvotum der CDU/CSU gegen Willy Brandt erzwingt die ersten vorzeitigen Parlamentswahlen der Bundesrepublik. Mehr als 91 Prozent der Wahlberechtigten stimmen ab – Rekord. Die SPD überflügelt mit Willy Brandt die CDU/CSU bei Stimmen und Mandaten, wenn auch knapp. Der Zuwachs geht auf Kosten der FDP, die ihren nationalliberalen Flügel verliert.

Die rechtsradikale NPD stürzt von 4,3 Prozent auf nur noch 0,6 Prozent ab: Die Botschaften der Neonazis verfangen nicht: Wer für konservative Politik eintritt, muss CDU/CSU wählen.

Ein junger Kandidat tritt für die CDU/CSU an – Helmut Kohl. Knapp verfehlt er die absolute Mehrheit. Die sozialliberale Koalition, seit 1974 unter Bundeskanzler Helmut Schmidt, kann sich im Amt halten. Die Wahlbeteiligung bleibt hoch, was auch eine Folge des polarisierenden Slogans von Kohl ist: "Freiheit statt Sozialismus".

Der größte Verlierer dieser Wahl ist der "Fünf-Prozent-Block": Die rechtsextreme Sammelgruppierung erreicht mit bundesweit 2940 Stimmen aufgerundet 0,01 Prozent der 38,2 Millionen Wähler – ein Fünfhundertstel des Wahlziels.

Klare Polarisierung führt zu Stimmenverlusten. Die CDU/CSU tritt mit Bayerns Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidat an. Doch Helmut Schmidt, der Mann mit der Prinz-Heinrich-Mütze, gewinnt die Wahl. Statt 18,4 Millionen Stimmen bekommt die Union nur noch knapp 17 Millionen – ein Verlust von 4,1 Prozent.

Gegen Strauß stilisiert sich Bundeskanzler Helmut Schmidt als nüchtern-pragmatischer Macher. Doch FDP und SPD sind nicht mehr glücklich mit seiner Politik: Die sozialliberale Koalition geht ihrem Ende entgegen.

Der Kanzler-Bonus zählt. Am 1. Oktober 1982 hat Helmut Kohl nach dem Koalitionswechsel der FDP mit einem konstruktiven Misstrauensvotum Helmut Schmidt gestürzt. Jetzt stellt sich seine christliberale Koalition dem Wähler. Mit großem Erfolg: Die SPD verliert stark, die gewendete FDP noch stärker – die Union verfehlt knapp die absolute Mehrheit.

Neu ins Parlament kommen die Grünen, mit 5,6 Prozent. Sie bringen Ringelpullis und Turnschuhe mit – und vorerst wenig politische Rationalität. An die Stelle inhaltlich relevanter Debatten tritt zunächst viel Klamauk.

Die erfolgreiche, aber langweilige Politik von Helmut Kohl ermüdet die Westdeutschen. Er wird als "Birne" verspottet. Von "Aussitzen" ist die Rede, während die ökonomische Entwicklung bergauf weist. Die Wahlbeteiligun sinkt gegenüber 1983 um fast fünf Prozent. Das geht zulasten der Union, die das zweitschlechteste Ergebnis aller Zeiten einfährt. Auch die SPD verliert: Sie wirkt altbacken und ohne reale Machtperspektive.

Die Grünen etablieren sich. Sie legen fast die Hälfte an Stimmen zu; noch jedoch hält sich der "ökosozialistische" Flügel.

Zum dritten Mal wird vorzeitig ein neuer Bundestag gewählt. Diesmal ist der Grund erfreulich: Es handelt sich um die erste gesamtdeutsche demokratische Wahl seit 1932. Helmut Kohl, der "Kanzler der Einheit", gewinnt trotz abermaliger Verluste, die SPD mit Oskar Lafontaine verliert deutlich. Die westdeutschen Grünen fliegen aus dem Parlament.

Für Ostdeutschland gilt eine separate Fünfprozenthürde, weshalb die realpolitischen Bürgerrechtler von Bündnis 90 es ganz knapp ins Parlament schaffen, ebenso die SED-Nachfolger von der PDS.

Die Bundeskanzler: Konrad Adenauer (1949–1963), Ludwig Erhard (1963–1966), Kurt Georg Kiesinger (1966–1969), Willy Brandt (1969–1974), Helmut Schmidt (1974–1982), Helmut Kohl (1982–1998), Gerhard Schröder (1998–2005), Angela Merkel (seit 2005)© pa/dpa Die Bundeskanzler: Konrad Adenauer (1949–1963), Ludwig Erhard (1963–1966), Kurt Georg Kiesinger (1966–1969), Willy Brandt (1969–1974), Helmut Schmidt (1974–1982), Helmut Kohl (1982–1998), Gerhard Schröder (1998–2005), Angela…

Die "blühenden Landschaften", die Helmut Kohl 1990 im Überschwang versprochen hat, lassen auf sich warten. Die Westdeutschen verlieren die Lust auf die deutsche Einheit – sinkende Stimmen für die Koalitionsparteien sind die Folge. Wechselstimmung baut sich auf: SPD und Grüne legen zu. Die PDS scheitert an der Fünfprozenthürde, gewinnt aber drei Direktmandate und darf in Stärke all ihrer Zweitstimmen ins Parlament einziehen.

Mit einer Kampagne gegen die "roten Socken" versucht die CDU, ihre Anhänger zu mobilisieren – allerdings mit mäßigem Erfolg.

Noch einmal tritt Helmut Kohl als Kanzlerkandidat der CDU an – doch nach 16 Jahren haben die Bundesbürger ihn satt. Die Union verliert stark und sinkt auf nur noch 35,1 Prozent. Weil auch die FDP schwächelt, ist der Weg frei für den erneuten Machtwechsel: Gerhard Schröder (SPD) bildet mit Joschka Fischer eine rot-grüne Koalition, die mit Sekt gefeiert wird. Ihre Politik ist eine Mischung aus Reformeifer und kühlem Pragmatismus.

Drei rechtsextreme Parteien und die europakritische Initiative Pro DM erzielen insgesamt 4,3 Prozent, die der CDU fehlen.

Zum zweiten Mal kandidiert für die Union ein Bayer: Ministerpräsident Edmund Stoiber fordert Bundeskanzler Gerhard Schröder heraus. Bei leicht gesunkener Wahlbeteiligung legt die CDU/CSU um ein Zehntel zu, während die SPD deutlich verliert, aber doch 6027 Zweitstimmen stärker bleibt. Die Grünen gewinnen, die PDS erringt nur noch zwei Direktmandate und fliegt bis auf diese beiden Abgeordneten aus dem Parlament.

Wahrscheinlich machen am Ende die medientauglichen Auftritte des Kanzlers in Gummistiefeln bei der Elbe- und Donauflut den Unterschied.

Die Auseinandersetzungen um die Hartz-Reformen in der SPD zwingen Gerhard Schröder, sich vorzeitig den Wählern zu stellen. Alles deutet auf einen klaren Sieg von Union und FDP hin – bis der Kanzler das Steuerkonzept der Union als Angriffsziel entdeckt und gegen den "Professor aus Heidelberg" Paul Kirchhof polemisiert. Die Union unter Angela Merkel verliert und wird knapp stärkste Fraktion. Eine Koalition mit der SPD ist die einzige Option.

Legendär wird Schröders krawalliger Auftritt im Wahlstudio. Er sei nicht betrunken gewesen, beteuert die SPD danach.

Die Große Koalition hat die Finanzkrise ordentlich aufgefangen. Doch obwohl die Konstellation laut Umfragen beliebt ist, wird der Juniorpartner SPD abgestraft: Mit Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier stürzen die Sozialdemokraten geradezu ab. Die Wahlbeteiligung ist dramatisch niedrig: Nur 70 Prozent der Bürger gehen an die Urnen. Die FDP erreicht ihr Allzeithoch. In der schwarz-gelben Koalition knirscht es von Beginn an.

Die Linkspartei etabliert sich: In den weitaus meisten Wahlkreisen erreicht sie mindestens fünf Prozent, in Sachsen-Anhalt sogar über 30 Prozent.

Die Kleinen verlieren, die Großen gewinnen – das ist das Ergebnis 2013. Mit einer Ausnahme: Aus dem Stand erreicht die euro-kritische AfD 4,7 Prozent. Weil die FDP um 0,2 Prozent unter der Fünfprozenthürde bleibt, ist die einzige politisch möglich Konstellation erneut eine Große Koalition. Eine rot-rot-grüne Regierung ist zwar rechnerisch möglich, wird aber nicht in Betracht gezogen – die Deutschen wollen kein solches sozialistisches Experiment.

Die CDU/CSU erringt ihr bestes Ergebnis seit 1990. Doch das dritte Kabinett Merkel macht eine klar sozialdemokratische Politik.

 

Dr. Günter Gerhardt schrieb 24 September 2017

 

    • Live-Blog: CDU-Sieg trotz hoher Verluste
    • Manuela Schwesig Die SPD geht nach der Pleite in die Opposition

 

Close