s.u.: Davon können wir Niedergelassenen uns eine Scheibe abschneiden
Ärzte-DEMO in NRW! Geht doch!
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- Letzter Beitrag 25 November 2018
Amtsärzte überzeugt:
Kommunaler Sparkurs gefährdet die Gesundheit der Menschen
Ärzte der Gesundheitsämter in Nordrhein-Westfalen (NRW) fordern von ihren Arbeitgebern eine branchenübliche Bezahlung nach dem Tarifvertrag des Marburger Bundes. Andernfalls sei zu befürchten, dass sich der Ärztemangel in den Ämtern verschärfe und die Versorgung der Bevölkerung leide. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, protestierten sie am Freitag vor dem Dortmunder Gesundheitsamt.
Mehr als 100 Amtsärzte aus NRW protestierten vor dem Dortmunder Gesundheitsamt.
© TS
„In den Gesundheitsämtern wird die Kluft immer größer zwischen unseren Aufgaben und den Menschen, die sie erledigen müssen“, betonte Dr. Anne Bunte. „Wir haben bundesweit einen Ärztemangel und ganz besonders merken wir den im öffentlichen Gesundheitsdienst“, so die Leitende Ärztin des Kölner Gesundheitsamtes, die auch dem nordrhein-westfälischen Landesverband der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) und dem Marburger-Bund-Landesverband NRW/Rheinland-Pfalz (MB NRW/RLP) angehört. Beide Verbände hatten zusammen mit dem Bundesverband der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BZÖGD) zu der Demonstration in Dortmund aufgerufen, an der sich mehr als 100 Amtsärzte aus ganz NRW beteiligten.
Als Grund für den Ärztemangel in den Gesundheitsämtern ist nach Ansicht von Dr. Johannes Nießen der Sparkurs der Städte und Kreise verantwortlich. „In den letzten 20 Jahren wurden allein 30 Prozent aller Arztstellen im öffentlichen Gesundheitsdienst gestrichen“, berichtete der stellvertretende Vorsitzende des BVÖGD. Außerdem würden die Ärzte im ÖGD deutlich schlechter bezahlt als Ärzte in den Kliniken oder beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen. „Dies bedeutet für uns als ÖGD, dass wir unseren gesetzlichen Aufgaben nicht mehr gerecht werden können“, ist Nießen überzeugt. Damit drohe ein Kollaps der öffentlichen Gesundheitsfürsorge.
Tarifverhandlungen „treten auf der Stelle“
„Seit über sieben Jahren treten die Tarifverhandlungen für uns auf der Stelle. Bis heute ist es zu keinem Ergebnis gekommen“, betonte der BVÖGD-Vize. Die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) habe die Arbeitnehmerseite „hingehalten“ und bisher kein akzeptables Angebot vorgelegt. Dabei bearbeiteten die Ärzte in den Gesundheitsämtern ein breites Spektrum von Aufgaben, hätten eine ebenso breite Verantwortung für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und den Umweltschutz und hätten die gleiche Qualifikation wie die Fachärzte in Kliniken und Praxis. Trotz der Vielfalt an beruflichen Aufgaben mangele es an Nachwuchs. Als wesentlichen Grund nannte Nießen die Bezahlung. Demnach erhalten Ärzte, die von der Klinik ins Gesundheitsamt wechseln, monatlich ein um 1.000 bis 1.500 Euro niedrigeres Bruttogehalt. „Wenn jemand aus der Klinik ins Gesundheitsamt wechseln möchte, wird er auf das Gehaltsniveau eines Berufsanfängers zurückgestuft“, verdeutlichte er. „Deshalb können wir unsere freien Arztstellen nicht besetzen.“
Vor sechs Jahren hätten die Gesundheitsämter in Deutschland 200 offene Facharztstellen gehabt. „Jetzt sind es noch mehr geworden.“ Die Gesamtzahl der berufstätigen Ärzte in Deutschland steige, die Zahl der Amtsärzte sinke hingegen. Nach Ansicht Nießens sind die Gesundheitsämter im Wettbewerb um qualifizierten ärztlichen Nachwuchs „völlig abgehängt“. Im Tarifbereich bestehe „erheblicher Nachholbedarf“, um ein weiteres Ausbluten des ÖGD zu stoppen. Schon jetzt gebe es zum Beispiel ein Gesundheitsamt in einem Landkreis Nordthüringens, in dem nicht ein einziger Arzt arbeite und die Amtsleitung in der Hand eines Juristen liege.
Einheitliche Vergütung gefordert
Die Politik habe die Probleme der Gesundheitsämter erkannt und die Gesundheitsminister der Länder Beschlüsse zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes gefasst. „Aber die Finanzminister und die VKA interessiert das nicht“, führte der BVÖGD-Vize weiter aus. „Auch nach Abschluss der letzten Tarifrunde im öffentlichen Dienst sind wir weit von den Gehältern der Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken entfernt.“ Dabei gehe es den Städten und Gemeinden finanziell gut. „Allein im letzten Jahr gab es einen Rekordüberschuss von elf Milliarden Euro.“ Die Amtsärzte fordern daher eine Anpassung der Vergütung auf das Niveau der Klinikärzte. Denn es gehe um die Zukunft der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung. Ohne Amtsärzte könnten viele Aufgaben der öffentlichen Gesundheitsfürsorge nicht erledigt werden, darunter der Infektionsschutz und die Entwicklung von Konzepten gegen multiresistente Keime, die Kontrolle der Hygiene in den Krankenhäusern, Schuleingangsuntersuchungen und Kariesprophylaxe bei Kindern, die Sicherung sauberen Trinkwassers und die Lebensmittelhygiene sowie die aufsuchende Hilfe für psychisch Kranke.
Amtsärzte bekleiden Schlüsselposition
„Wenn der ÖGD kaputtgespart wird, dann wird kein Arzt dort arbeiten wollen, sondern in andere Berufsfelder bis hin zum Medizinischen Dienst der Krankenkassen einsteigen“, ist Dr. Theodor Windhorst überzeugt. „Für mich ist es ein Schlag in das Gesicht derjenigen, die sich jeden Tag aufmachen und ihren Weg gehen“, sagte der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) mit Blick auf die Vergütung der Amtsärzte. Es gehe dabei auch um Wertschätzung und die Vergleichbarkeit der Anerkennung der beruflichen Fähigkeiten. „Und nur so kann man seinen eigenen Beruf schützen vor dem Ausdörren.“ Schließlich gehe es um die medizinische Versorgung der Bevölkerung und damit „die Verantwortung für die Entwicklung der gesamten Bevölkerung“. Windhorst sieht die Amtsärzte dabei in einer Schlüsselposition. Denn oft seien sie es, die Bewegungsmangel, Fehlernährung und Adipositas bei Kindern erkennen und entsprechende Beratungs- und Therapieangebote vermitteln und die Familien in schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen beraten und begleiten. Er forderte daher ebenfalls die Anhebung der Vergütung auf das Niveau von Klinikärzten – „nicht um einer Gleichmachung willen, sondern um einer Wertschätzung willen“. Da sich seit sieben Jahren in den Tarifverhandlungen nichts bewegt habe, sei es vollkommen legitim, dass die Ärzte jetzt auf die Straße gingen, um gegen den Sparkurs der kommunalen Arbeitgeber zu protestieren.
„1.000 Euro weniger im Monat sind eine Ohrfeige“
„Das ist die letzte Kerze, die in den Gesundheitsämtern brennt. Und damit die nicht ausgeht, muss unbedingt was passieren“, sagte Dr. Hans-Albert Gehle, der mit einem brennenden Grablicht an das Rednerpult trat. „Wir stehen hier unweit vom größten Weihnachtsbaum der Welt, wie ihn die Stadt Dortmund bezeichnet. Dafür ist Geld da. Warum nicht für die Gesundheitsämter?“, so der 1. Vorsitzender des MB NRW/RLP. Auch in NRW gebe es inzwischen Gesundheitsämter in ländlichen Regionen, die „fast arztfrei“ sind. Das sei in Städten wie etwa Dortmund zwar anders. „Aber ich frage mich natürlich, wie gesundheitliche Versorgung in Dortmund stattfinden soll, wenn die letzten Kollegen, die jetzt noch da sind, sich entscheiden zu gehen“, so Gehle. Ohne ärztlichen Nachwuchs könne es keine öffentliche Gesundheitsversorgung geben. „Und 1.000 Euro weniger im Monat für einen Kollegen, der nach fachärztlicher Tätigkeit in ein Gesundheitsamt wechselt, sind keine Einladung, sondern eine Ohrfeige.“ In den „schwammigen“ Tarifverhandlungen hätte die VKA die Amtsärzte mitunter als „Bleistiftträger“ bezeichnet. „Amtsärzte sind keine Bleistiftträger, sondern Gesundheitsgaranten“, stellte Gehle klar. „Und deswegen werden wir nur Ärzte für diesen Dienst gewinnen, wenn wir sie auch wie Ärzte bezahlen.“
NRW-weit fehlen Ärzte in 60 Gesundheitsämtern
Ein Krankenhaus ohne Arzt sei ein Pflegeheim. Demnach sei ein Gesundheitsamt ohne Arzt ein „Bürokratenheim“. Und als solches könne es nicht für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung sorgen. Das müsse den Menschen verdeutlicht werden. „Ärzte in den Gesundheitsämtern bringen Licht ins Dunkle der Versorgung“, sagte der MB-Landesverbandsvorsitzende mit Blick auf das mitgebrachte Grablicht. Er forderte ein solches Licht als Symbol für jedes der 60 Gesundheitsämter in NRW, in denen mindestens eine Arztstelle unbesetzt ist.
Beispielhaft nannte er die Ämter in Bielefeld, Bochum, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Gütersloh, Hagen, Köln, Leverkusen, Mettmann, Mülheim, Münster und im Kreis Recklinghausen. Zugleich forderte er die Arbeitgeber auf, die Tarifverhandlungen „nicht länger hinauszuzögern“. Auch sollten Bürgermeister und Landräte mehr tun, „als nur reine Lippenbekenntnisse“ zu äußern.
Nach Ansicht Gehles sind „endlich faire Tarifbedingungen“ nötig, um die offenen Stellen besetzen zu können. „Es ist eine unverantwortliche Politik der Arbeitgeberseite, mit ihrem Sparkurs die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung zu gefährden.“
23.11.2018 22:23:39, Autor: Aus Dortmund berichtete für den änd: Thomas Schwarz
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