PKV: Keine Ausgleichszahlungen, Ärzteverbände für Bürgerversicherung?

  • 1,1K Aufrufe
  • Letzter Beitrag 28 Juni 2020
Dr. Günter Gerhardt schrieb 20 Juni 2020

Hat der PKV-Dachverband kein Interesse an einer Kompensation der durch die Corona-Krise entstandenen Verluste in der Privatliquidation?

Wenn dem so ist, spielt dies der Diskussion um die Abschaffung der privaten Krankenversicherung zugunsten der Bürgerversicherung in die Hände.

Sortieren nach: Standard | Neueste | Stimmen
Dr. Günter Gerhardt schrieb 20 Juni 2020

Mangelnde finanzielle Unterstützung

Ärzteverbände drohen PKV mit Liebesentzug

Die Kritik an der PKV ob der mangelnden finanziellen Unterstützung der Niedergelassenen in der Corona-Krise reißt nicht ab. Die Allianz Deutscher Ärzteverbände reagiert in einem Brief an PKV-Verbandschef Reuther mit Unverständnis und garniert ihre Unmutsäußerungen mit einer Drohung.

Allianz-Sprecher Rüggeberg: „Wenn jetzt in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, die PKV habe kein Interesse an einer Stabilisierung und Unterstützung des Gesundheitssystems, spielt dies der Diskussion um die Abschaffung der privaten Krankenversicherung in die Hände.“

Mit „Erstaunen und Unverständnis“ habe man das Ergebnis der Verhandlungen zwischen PKV-Dachverband und Bundesärztekammer zur Kompensation der durch die Corona-Krise entstandenen Verluste in der Privatliquidation zur Kenntnis genommen, schreibt der Sprecher der Allianz, Dr. Jörg Rüggeberg in seinem Brief an PKV-Verbandschef Florian Reuther, der dem änd vorliegt.

Man habe den Eindruck, dass die Private Krankenversicherung „die Effekte aus der gesundheitspolitisch notwendigen Reaktion zur Eindämmung der Pandemie“ dankend mitnehme, „ohne die allen Beteiligten des Systems gebotene Verantwortung für eine dauerhafte Stabilisierung wahrzunehmen“, kritisiert Rüggeberg.

Allein im ambulanten Sektor sei das Volumen der Privatliquidationen um gut ein Drittel zurückgegangen. „Die private Versicherungswirtschaft gewinnt also bei gleichgebliebenen Beiträgen ihrer Versicherten aus der Krise heraus erheblich“, empört sich die Allianz. Der unter der GOP A245 vereinbarte Hygienezuschlag sei unzureichend und werde nicht ansatzweise den tatsächlichen Kosten gerecht.

Und dann folgt eine unterschwellige Drohung: „Es ist hinlänglich bekannt, dass bestimmte politische Kreise mit der Forderung nach einer Bürgerversicherung letztlich das Geschäftsmodell der PKV abschaffen wollen. Die Ärzteschaft hat sich in der Vergangenheit intensiv für die Beibehaltung desselben eingesetzt. Wenn jetzt in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, die PKV habe kein Interesse an einer Stabilisierung und Unterstützung des Gesundheitssystems, spielt dies der Diskussion um die Abschaffung der privaten Krankenversicherung in die Hände“, formuliert Rüggeberg. Die PKV setze mit ihrer mangelnden finanziellen Unterstützung also das Zwei-Säulen-Modell aufs Spiel.

Dabei gäbe es „genügend Optionen für die PKV, der Ärzteschaft beizustehen“. Rüggeberg schlägt PKV-Verbandschef Reuther vor, die Gespräche zu einer neuen GOÄ „zügig zum Abschluss zu bringen und den vor Jahren (!) fixierten Korridor möglicher Steigerungen der Gesamtausgaben deutlich an die jetzige Situation anzupassen“. Man erwarte bei den anstehenden Gesprächen mit der Bundesärztekammer „zielführende Vorschläge in Anerkenntnis der Verpflichtung auch der PKV, die Krise solidarisch gemeinsam mit allen Beteiligten zu meistern“.

Dr. Günter Gerhardt schrieb 28 Juni 2020

PKV/GKV versus Bürgerversicherung. In der Coronakrise ist das Volumen der Privatliquidationen um ein Drittel zurückgegangen, ein Gewinn für die PKV. Die aber zeigt kein Interesse an einem Ausgleich von Verdienstausfällen, vergleichbar mit dem Schutzschirm für Ausfälle bei GKV Patienten. Ärzteverbände kontern daraufhin mit Recht, dass wir uns dann auch nicht mehr für einen Erhalt des dualen Systems (GKV und PKV) einsetzen müssen, was der Bürgerversicherung in die Hände spielt. Kurz darauf titelt die FAZ „Fachärzte geben Privatversicherten schneller einen Termin als Kassenpatienten“ und beruft sich auf eine Studie, deren Daten allerdings vor dem TSVG (das Terminservice- und Versorgungsgesetz verpflichtet uns, mehr Sprechstunden anzubieten) erhoben wurden. So funktioniert Politik liebe Kolleginnen und Kollegen. In der Coronakrise sind wir, die Helden, viel zu gut weggekommen, da muss doch schnell die gute alte Neiddebatte angefacht werden. Dabei ist allgemein bekannt, dass ein Vorziehen von Privatpatienten für die GKV Patienten nur einen Tag mehr Wartezeit bedeutet. M.E. sollten wir unbedingt auf Ausgleichszahlungen der PKV drängen, aber auf die sowieso nicht ernst gemeinte Drohung verzichten.

Dr. Günter Gerhardt schrieb 28 Juni 2020

Medienbericht

"Fachärzte geben Privatversicherten schneller einen Termin als Kassenpatienten"

“Privatpatienten werden immer noch bevorzugt“, titelt die Frankfurter Allgemeine (FAZ) am Sonntag – und beruft sich auf eine aktuelle Untersuchung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Fachärzte in Deutschland geben demnach Privatversicherten vielfach deutlich schneller einen Termin als Kassenpatienten.

Rüddel hält von Plänen in Richtung Bürgerversicherung nichts.

Im Rahmen eines Feldexperiments des RWI hatte eine Testperson Termine bei knapp 1.000 Facharztpraxen in ganz Deutschland angefragt. Laut Institut boten Praxen den Privatversicherten mit einer statistisch signifikant höheren Wahrscheinlichkeit einen Termin an. Wenn ein Termin angeboten wurde, mussten gesetzlich Versicherte im Durchschnitt mehr als doppelt so lang darauf warten wie Privatpatienten.

Privatversicherte warteten im Mittel laut RWI weniger als zwölf Werktage, Kassenpatienten etwa 25. Die Forscher stellten eine „systematische Patientenauswahl“ der Ärzte fest. Der Versicherungsstatus des Patienten habe für viele Ärzte demnach einen „signifikanten Einfluss auf die Bereitschaft, einen Termin zu vereinbaren“, heißt es in der Studie. Die Forscher halten die unterschiedliche Vergütung für entscheidend. Ärzte können von Privatversicherten für dieselbe Leistung meist mehr Geld verlangen. Eine einheitliche Honorierung würde die Ungleichheiten verringern, folgern sie.

Wasser auf die Mühlen der Anhänger einer „Bürgerversicherung“. So kommt in der FAZ auch der SPD-Politiker Karl Lauterbach zu Wort: „Es bleibt dabei, dass gleiche Leistung unterschiedlich vergütet wird“, so der Sozialdemokrat. Für ihn sei es „unsinnig“, dass es zwei konkurrierende Versicherungssysteme gebe und die Wartezeiten für Kassenpatienten höher seien als nötig.

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, betonte der Zeitung gegenüber, dass es „objektiv betrachtet keine generelle Wartezeitproblematik“ gebe. „International betrachtet stehen wir spitzenmäßig da.“ Zudem stellt er die Aussagekraft der Studie in Frage. Die Daten seien vor dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) erhoben worden, das niedergelassene Ärzte verpflichte, mehr Sprechstunden anzubieten.

„Wir müssen von der Neiddebatte wegkommen“, kommentierte Erwin Rüddel (CDU), der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, die Debatte. Würden die Fachärzte die Privatpatienten nicht mehr vorziehen, würde die Mehrheit der gesetzlich Versicherten rechnerisch nur einen Tag Wartezeit sparen und dafür höhere Beiträge zahlen müssen, sagte Rüddel.


 

Zu den zentralen Ergebnissen der Studie teilte das RWI mit:

- Für die Studie fragte eine Testperson einem standardisierten Protokoll folgend telefonisch Termine für Allergietests, Hörtests und Magenspiegelungen bei rund 1000 Facharztpraxen in ganz Deutschland an, wobei jede Praxis im Abstand von einigen Wochen zweimal von der gleichen Testperson angerufen wurde. Der zufällig zugewiesene Versicherungsstatus wurde dabei immer genannt. Das Feldexperiment fand zwischen April 2017 und Mai 2018 statt.

- 85 Prozent aller fiktiven Patientinnen und Patienten bekamen einen konkreten Termin angeboten. Die Wahrscheinlichkeit, einen Termin zu erhalten, war bei Privatversicherten jedoch sieben Prozent höher als bei gesetzlich Versicherten.

- Wenn ein Termin angeboten wurde, mussten gesetzlich Versicherte im Durchschnitt 25 Tage auf den Termin warten, bei Privatversicherten betrug die Wartezeit nur 12 Tage.

- Bei Magenspiegelungen und Allergietests, bei denen die Vergütungsunterschiede zwischen Privat- und gesetzlich Versicherten am größten sind, war die Differenz in der Wartezeit besonders groß. Auch für einen Hörtest, bei dem die die Preisunterschiede zwischen privaten und gesetzlichen Behandlungen deutlich geringer sind, erhielten Privatversicherte schneller einen Termin, der Unterschied war jedoch deutlich geringer.

- In der Frage, ob überhaupt ein Termin angeboten wurde, bestand nur bei Magenspiegelungen und Allergietests ein signifikanter Unterschied. Für einen Hörtest bekamen alle Patienten gleich häufig einen Termin angeboten.

- Die Studie zeigt auch, dass die Ungleichbehandlung bei den Wartezeiten in Städten und Kreisen mit hoher Bevölkerungsdichte tendenziell größer ist als in ländlichen Kreisen. Zudem scheinen die Unterschiede in Ostdeutschland etwas geringer zu sein als in Westdeutschland.

 

28.06.2020, Autor: js

Dr. Günter Gerhardt schrieb 28 Juni 2020

Corona-Pandemie

PKV hält sich bei Verdienstausfall nicht für zuständig

Für den Ausgleich des durch die Corona-Pandemie entstandenen Mehraufwands bei Ärzten sieht sich der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) zuständig – aber nicht für den Ausgleich von Verdienstausfällen. „Wir tun, was wir können“, sagte der Verbandsvorsitzende Dr. Ralf Kantak bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Über die Auswirkungen der Coronakrise will Dr. Ralf Kantak noch keine Aussagen treffen.

Die Privatversicherten, die PKV-Unternehmen und die Beihilfe würden insgesamt bereits in einer Größenordnung von 1 Milliarden Euro zur Bewältigung der Pandemie beitragen – „auch wenn es Berichte gibt, die PKV würde sich nicht beteiligen“.

Bei den Krankenhäusern sei die PKV in vollem Umfang an allen „krisenbedingten Zusatzentgelten“ beteiligt. Sie gebe mehr als 300 Millionen Euro und darüber hinaus weitere Abrechnungszuschläge. Für Corona-Tests erstatte sie „stabil“ 148 Euro, während die gesetzliche Krankenversicherung mittlerweile etwa 40 Euro ausgebe. Den Schutzschirm für Pflegeeinrichtungen unterstütze man mit 60 Millionen Euro.

Bleibt noch die ambulante Versorgung. „Privatversicherte unterstützen die Ärzte und Zahnärzte aktuell mit einem zusätzlichen Beitrag von deutlich über 300 Millionen Euro allein für Hygienemaßnahmen“, so Kantak. Monatlich kämen noch etwa 100 Millionen Euro dazu – wie lange noch, ist aber offen. Zurzeit befinde sich die PKV in Verhandlungen mit der Bundesärztekammer über die Verlängerung des Hygienezuschlages, der bis Ende Juli gilt. Zu Details wollte sich der Verbandschef nicht äußern. „Es geht um Höhe und Länge.“

PKV mit Ärzten im Gespräch

Diesen Hygienezuschlag halten viele Ärzte für unzureichend. In der vergangenen Woche hatte die Allianz Deutscher Ärzteverbände deutliche Kritik geübt, weil die PKV ihrer Meinung nach zu wenig finanzielle Unterstützung leistet. Sie drohte damit, die Beibehaltung des Geschäftsmodells der PKV nicht länger zu unterstützen, „wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, die PKV habe kein Interesse an einer Stabilisierung und Unterstützung des Gesundheitssystems“.

Auf diese Drohung angesprochen, versuchte Kantak zu deeskalieren. Die PKV seien mit Vertretern der Verbände im Gespräch. Man versuche, Anreize zu schaffen, damit Patienten wieder in die Praxen gehen. Aber für Mindereinnahmen stehe man „nur bedingt zur Verfügung“: Da es sich um infektionsbedingte Geschehnisse handle, falle das in den gesetzlichen Bereich. „Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen und müssen auch unsere Dinge regeln.“ Die jährlichen Ausgaben in Höhe von 6 Milliarden Euro an Ärzte seien bereits ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung, so Kantak.

Folgen für PKV noch nicht absehbar

Prognosen über die Folgen des Coronavirus für die Private Krankenversicherung sowie die Versicherten wollte er nicht abgeben. Die Auswirkungen auf die Beiträge und die Leistungen seien noch nicht absehbar. Dass es einen Einbruch in den Honoraren für privatärztliche Leistungen in Höhe von rund 33 Prozent gibt, wie der Verband der Privatärztlichen Verrechnungsstellen kürzlich meldete, kann der PKV-Verband nicht bestätigen. „Es ist zu früh, um darüber Aussagen zu machen“, sagte Kantak. Die PKV zeige sich aber trotz erheblichen Belastungen stabil.

Verbands-Direktor Dr. Florian Reuther sagte, die Zahlen würden von der „großen Unbekannten“ abhängen: „Was kann von den Leistungen nachgeholt werden und was kann nicht nachgeholt werden?“ Auch Zahnärzte würden versuchen, Leistungen nachzuholen. „Wer während der Corona-Krise eine Brücke brauchte, braucht sie jetzt immer noch.“

Auch GOÄ angeschnitten

Der Verband verzeichnet zudem steigende Versichertenzahlen. „Wir verzeichnen eine erfreuliche Trendwende. Das zweite Jahr in Folge wechseln wieder mehr Menschen aus der GKV in die Private Krankenversicherung als umgekehrt“, so Kantak. 2019 hätten sich demnach 146.800 Versicherte für diesen Wechsel entschieden, 129.400 wären von der PKV in die GKV gewechselt – ein Saldo von 17.400 Versicherten.

Am Rande angeschnitten wurden die Verhandlungen über die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), welche seit Jahrzehnten auf sich warten lässt: Dem Verband nach sind die Abstimmungen mit der Bundesärztekammer „sehr weit, der rechtliche Teil ist verabschiedet“. Was das konkret heißt, blieb unklar. Erst vor Kurzem hatte das Bundesgesundheitsministerium verlauten lassen, dass man einen Vorschlag von Kammern und PKV-Verband noch in diesem Jahr erwarte und prüfen werde.

24.06.2020, Autor: mh

 

Close