1. Notfall-Patienten in der für sie passenden Versorgungsebene bedarfsentsprechend behandeln
Die vorhandenen Formen der Notfallversorgung spiegeln die große Bandbreite der medizinischen Notfälle wider. Diese reichen von lebensbedrohlichen Vorfällen, die eine unmittelbare intensivmedizinische Versorgung benötigen (z.B. Herzinfarkte, Schlaganfälle usw.), zu ernsthaften oder sehr schmerzhaften Ereignissen, die einer umgehenden Behandlung bedürfen (Traumata, Knochenbrüche, Schnittwunden, Verbrennungen, Koliken usw.) oder aber auch Erkrankungen bzw. Beratungsanlässe, die üblicherweise ohne die besonderen Strukturen einer spezifischen Notfallversorgung beispielsweise in einer Vertragsarztpraxis zu regulären Öffnungszeiten behandelt werden könnten (z.B. grippale Infekte, seit mehreren Tagen oder Wochen bestehende medizinische Probleme usw.).
Im Rahmen der Notfallversorgung stehen im deutschen Gesundheitssystem mehrere, zum Teil parallele, allerdings nicht ausreichend aufeinander abgestimmte Versorgungsstrukturen zur Verfügung, zu denen Patienten Zugang haben.
Dies sind heute: Der klassische Rettungsdienst, die stationäre Notfallversorgung, die ambulante Versorgung zu regulären Sprechstundenzeiten in der Vertragsarztpraxis, außerhalb der Sprechstundenzeiten durch Hausbesuchsdienste bzw. Fahrdienste, durch Versorgung in der Bereitschaftsdienstpraxis und an stationären Einrichtungen.
Da der Übergang zwischen den Notfall-Arten häufig fließend ist, muss das Versorgungsziel sein, Notfall-Patienten zukünftig bedarfsentsprechend ohne Umwege in der für sie passenden Versorgungsebene zu behandeln. Dies kann am besten erreicht werden, indem die Ersteinschätzung der Patienten an allen Anlaufstellen der Notfallversorgung einheitlich und standardisiert ggf. auch telefonisch erfolgt. Hierzu müssen gemeinsame medizinische Anlaufstellen von Krankenhaus, KV, Krankenhaus- und Vertragsärzteschaft eingerichtet werden, die unter qualifizierter ärztlicher Leitung stehen.
Die Ersteinschätzung soll einem mehrdimensionalen , möglichst EDV-gestütztem gestuften Schema folgen und damit in eine klare Empfehlung der geeigneten Versorgungsebene münden. Dringlichkeit, medizinische Notwendigkeit oder Schwere der Erkrankungen sind dabei wichtige Kriterien, die zukünftig über die adäquate Versorgungsebene entscheiden sollen. Wirtschaftliche Interessen müssen dabei ebenso in den Hintergrund treten wie Wünsche einzelner Patienten, die über die medizinisch indizierte Notfallbehandlung hinausgehen.
Die Einbeziehung des Rettungsdienstes ist ein wesentlicher Faktor für das Gelingen einer integrativen Notfallversorgung. Die Vernetzung zwischen den Rufnummern 112 und 116117 mit einer klaren Regelung zu Übergabepunkten und Schnittstellen (z.B. Quereinstiegsnummern) stellt einen weiteren Meilenstein dar, um im Patienteninteresse die geeignete Versorgungsform schnellstmöglich zu identifizieren. Dabei soll das einheitliche System der standardisierten medizinischen Ersteinschätzung ebenso zum Tragen kommen.
Durch die Kombination eines Systems einer standardisierten Ersteinschätzung mit Vernetzung von Bereitschaftsdienst- und Rettungsdienstnummern können Patienten in die für sie geeignete Versorgungsform geleitet werden. Durch eine Rund-um-die Uhr-Erreichbarkeit der Bereitschaftsdienstnummer 116117 mit optionaler initialer medizinischer Beratung kann darüber hinaus die Möglichkeit geschaffen werden, Patienten kontinuierlich einen Ansprechpartner in Notsituationen anzubieten.
Maßnahmen:
- Ausweitung der Erreichbarkeit der deutschlandweiten Bereitschaftsdienstnummer 116117 auch tagsüber als originäre Nummer für den ärztlichen Bereitschaftsdienst
- Enge Quervernetzung der 112 mit der 116117, medizinische Ausrichtung der telefonischen Ersteinschätzung
- Entwicklung und Einrichtung von Instrumenten und Strukturen zur Ersteinschätzung der Dringlichkeit und der erforderlichen Versorgungsform auf den Ebenen des telefonischen und physischen Erstkontaktes und in der (ambulanten) lokalen Notfallversorgung; Durchführung durch geeignete Fachkräfte
- Erprobung der telefonischen Beratung im Rahmen der Bereitschaftsdienstnummer 116117 durch speziell fortgebildete Ärzte in enger Abstimmung mit den Ärztekammern.