Die AOK hat zu viel Macht

  • 626 Aufrufe
  • Letzter Beitrag 05 Oktober 2018
Dr. Günter Gerhardt schrieb 05 Oktober 2018

Recht hat er, der BKK-Vorstand Knieps (s.u.)

Dr. Günter Gerhardt schrieb 05 Oktober 2018

BKK-Vorstand Knieps

„Die AOK ist nicht Staat im Staate“

Kurz vor der Anhörung zum Versicherten-Entlastungsgesetz im Bundestag gehen die GKV-Lager aufeinander los. Die AOK habe zu viel Macht in den Ländern und versuche, das nun auszuspielen, beklagen vdek, BKKen und IKKen.

Knieps wirft der AOK Stimmungsmache vor.
© änd

Die AOK versuche mit gezielten Fehlinformationen die Gesetzgebung zum morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das warfen am Donnerstag Spitzenvertreter des Verbands der Ersatzkassen (vdek), des BKK-Dachverbands und der IKKen den Ortskrankenkassen vor. Kurz vor der Anhörung zum Versicherten-Entlastungsgesetz am kommenden Montag im Gesundheitsausschuss des Bundestages – beim Gesetz geht es auch um eine Reform des RSA – habe die AOK fälschlicherweise behauptet, es gebe innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) große Einigkeit zur Reform. Das sei falsch, betonte nun Franz Knieps, Vorstand des BKK-Dachverbands. Vielmehr gehe es der AOK darum, ihre Vorteile im derzeitigen RSA-System zu erhalten – gegen die Interessen der anderen Kassenarten. Knieps bezeichnete das als „Stimmungsmache“, von der er hoffe, dass sie nicht fruchte. „Die AOK ist nicht Staat im Staate.“

Grund für die Verärgerung war eine Mitteilung, die der AOK-Bundesverband am Tag der Einheit verschickte. In dieser wurde AOK-Vizevorstand Jens-Martin Hoyer damit zitiert, es gebe „mittlerweile große Schnittmengen zwischen den Forderungen der Kassenarten“. Es gelte daher nun „Kurs zu halten beim Kassenausgleich“, wie es in einer anschließenden Botschaft hieß. Sie hoffe, sagte die vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner, dass sich der Gesundheitsausschuss und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) davon nicht beeindrucken ließen – und nicht, wie von der AOK gewünscht, vom Kurs der RSA-Reform abwichen. Die müsse nämlich, das war die Hauptbotschaft des gemeinsamen Auftritts der Kassenchefs, schnellstmöglich umgesetzt werden, um bestehende Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der AOK zu beseitigen.

Einfluss auf Diagnosen

Die Forderungen sind dabei allesamt nicht neu. Beklagt wird von den drei Kassenverbänden seit Jahren, dass der GKV-interne Finanzausgleich den AOKen Geld in die Kassen spüle, das sie nicht bräuchten – die Ausgleichszahlungen für Diagnosen also höher seien als die Ausgaben für jene Versicherten. Auf diese Weise hätten die AOKen inzwischen mehr als 1,5 Milliarden Euro Überschüsse angespart, während die Ersatzkassen mit etwa 900 Millionen Euro im Minus lägen, wie auch BKKen und IKK, denen jeweils um die 250 Millionen fehlten.

Mit einer besseren Wettbewerbsfähigkeit, wie oft von der AOK zu hören, habe das nichts zu tun, sagte Knieps, „das ist lächerlich“. Er sage nicht, dass die AOK manipuliere, aber es sei auffällig, dass Selektivverträge der AOKen in Baden-Württemberg und anderen Ländern von den Landesaufsichten „großzügiger ausgelegt“ würden als bei Prüfungen des Bundesversicherungsamtes. AOKen und Landesregierungen, wollte Knieps damit sagen, seien oft eng miteinander verknüpft und stützten sich gegenseitig. „Ich kann es nicht mehr hören, dass sich angeblich die guten Kassenmanager alle bei der AOK sammeln, und dann auch noch vor allem in Thüringen, Sachsen und Sachen-Anhalt“ – in diesen Ländern haben die AOKen die größten Überschüsse und mit die niedrigsten Zusatzbeiträge.

Jürgen Hohnl, Geschäftsführer der Interessenvertretung der Innungskrankenkassen, sagte, dass die AOK Möglichkeiten habe, „auf Diagnosen Einfluss zu nehmen“, um so die RSA-Zuflüsse zu erhöhen. Beispielhaft seien dafür die Adipositas-Diagnosen, die seit 2013 RSA-relevant sind und die sich bei der AOK zwischen 2013 und 2016 mehr als verdreifacht hätten.

Manipulation mit fiktiven Versicherten

Als besonders wichtig bezeichneten es die drei Kassenvertreter, dass im kommenden Entlastungsgesetz der Plan bestehen bleibe, im Bereich der obligatorischen Anschlussversicherten rückwirkend zu bereinigen. Dabei geht es um Versicherte, die keine Beiträge mehr zahlen und oft auch nicht mehr auffindbar sind. Es handle sich hier um schätzungsweise mehrere hunderttausend Fälle, schätzte Franz Knieps. „Es kann nicht sein“, sagte er, „dass Krankenkassen fiktive Mitgliedschaften aufrechterhalten, um Zuweisungen aus dem RSA zu beziehen“. Die AOK profitiere auch hier besonders und dürfe deshalb nicht „mit ihrem Versuch durchkommen, die rückwirkende Prüfung zu vereiteln“.

 

04.10.2018 13:42:25, Autor: tt

Close