„Diesel“
Als „letzte Maßnahme“ dürfen Kommunen laut neuesten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Fahrverbote für Dieselfahrzeuge anordnen. Völlig unklar ist, wie diese umgesetzt und kontrolliert werden sollen. Doch das sind nicht die einzigen Fragen, die beim Dieselfahrverbot unbeantwortet bleiben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Weg für Fahrverbote für Millionen deutscher Dieselautos in Städten frei gemacht. Wenn die Luft nicht anders sauberer werde, seien Fahrverbote als letztes Mittel zulässig, urteilten die Richter. Fahrverbote müssten aber verhältnismäßig sein und dürften „nicht über Nacht“ eingeführt werden. So weit, so gut – aber wie soll so ein Fahrverbot kontrolliert werden? Wen betrifft es überhaupt? Welche Ausnahmen wird es geben? Und: Werden die Halter ein Fahrverbot überhaupt befolgen?
Wie soll ein Dieselfahrverbot angeordnet und angezeigt werden?
Das wird wohl zunächst in erster Linie mit Schildern geschehen. Ob das über eine statische Beschilderung oder über veränderliche Anzeigetafeln geregelt werden wird, dürfen die Kommunen einzeln entscheiden. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgesetzt, dass ein Fahrverbot "nicht über Nacht" eingeführt werden darf. Diesel-Fahrer betroffener Fahrzeuge (welche, ist noch völlig offen) werden sich aber in jedem Fall über die aktuelle Stickstoffdioxid-Belastungslage in ihrem Umkreis auf dem Laufenden halten müssen.
Sollte sich die künftige Bundesregierung dazu entschließen, bundesweit (alternativ) eine „blaue Plakette“ für Dieselautos einzuführen, würden dafür die Umweltzonen-Schilder (Verkehrszeichen 270) um ein Zusatzschild mit „blaue Plakette“ ergänzt. Das bedeutet, dass nur noch Fahrzeuge mit dieser Plakette einfahren dürfen. Wer keine Plakette hat, dem drohen 80 Euro Bußgeld. Wenn die Behörde beweisen kann, dass der Fahrer vorsätzlich gegen das Verbot verstoßen hat, soll dieser sogar 160 Euro zahlen.
Was wird bei einem Fahrverbot gesperrt?
Gesperrt werden nicht ganze Städte, sondern nur die Straßen oder Zonen, in denen die Luft besonders schlecht ist und beispielsweise die Stickoxidbelastung über dem zulässigen Höchstwert von 40 μg/m³ liegt. Das Problem dabei: Die Sperrung einzelner Straßen oder Zonen verhindert nicht, dass Dieselfahrer überhaupt fahren, sondern nur, dass sie auf diesen Straßen fahren. Ein paar Blöcke weiter, wo das Fahrverbot eventuell nicht mehr gilt, darf gefahren werden. Die Nachbarn von Verkehrsverbotszonen können sich also schon jetzt auf mehr Verkehr vor ihrer Haustür einrichten, und ebenfalls den Rechtsweg beschreiten….
Wie soll ein Fahrverbot kontrolliert werden?
Während der Fahrt wohl gar nicht. Die beiden deutschen Polizeigewerkschaften haben sofort nach dem Urteil deutlich gemacht, dass sie nicht flächendeckend kontrollieren können – weil ihnen dafür schlicht das Personal fehlt. Mehr als Stichproben wird es nicht geben. Das bedeutet, dass Fahrer, die sich nicht an das Verbot halten, sehr gute Chancen haben werden, nicht belangt zu werden.
Ohnehin: Das erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat keine allgemeingültige Wirkung. Die Frage der Feinstaubbelastung aus physikalischer Sicht ist weder individuell noch generell (es gibt gute Gründe, Umweltprobleme gerade nicht auf Diesel-Fahrzeuge zurückzuführen) abschließend geklärt. Sollte man erwischt werden, kann man gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen und durch die Instanzen ziehen, bis zum Bundesverfassungsgericht, wenn es sein muss, und bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der (ohnehin schwächelnde) Staats- und Justizapparat wird durch solche Massenverfahren schlichtweg überfordert sein.
Welche Ausnahmen soll es geben?
Jede Menge! Nahezu in allen Bereichen des öffentlichen Verkehrs sind Dieselfahrzeuge unterwegs, die nicht der verlangten Abgasnorm entsprechen. Das reicht vom öffentlichen Nahverkehr über Feuerwehr, Ärzte, Post- und Paketdienste, Taxis bis hin zu Handwerkern. Dazu kommen noch die Anwohner der betroffenen Zonen. In all diesen Fällen werden die Betroffenen Ausnahmeregelungen fordern.
Kolleginnen und Kollegen im medizinischen Bereich werden ihren alten Diesel also ohne weiteres weiterfahren können, eine individuelle Entschuldigung sollte stets leicht parat sein.
Wie werden die Halter mit Fahrverboten umgehen?
Das ist schwer zu sagen. Wird ein Fahrverbot nur rudimentär oder gar nicht kontrolliert, entscheidet jeder Fahrer selbst, ob er sich daran hält. Es dürfte aber nicht wenige geben, die sich mit dem Argument "Ich fahr' da ja nur schnell mal durch, so schlimm wird das schon nicht sein" nicht an das Verbot halten werden.