Gründung der IG Med in Frankfurt
"Wir lassen uns das nicht mehr bieten"
Der Anfang ist gemacht: Über 100 Ärzte und Zahnärzte gründeten heute (5.6.2018) in Frankfurt die „IG Med“. Unter lautem Applaus betonte Mitinitiatorin Dr. Ilka Enger bei der Begrüßung der Kollegen, dass sich die Arbeitsbedingungen in der ambulanten medizinischen Versorgung in den vergangenen Jahren mehr und mehr verschlechtert hätten „und jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, an dem wir alle sagen müssen, dass wir uns das nicht mehr bieten lassen.“
Es sei traurig, dass zahlreiche Ärzte aufgrund der Bedingungen im System schon „die innere Kündigung“ abgegeben hätten und hofften, sich bis zur Rente durchschlagen zu können. „Dabei arbeiten wir gerne für unsere Patienten – aber unter den derzeitigen Vorzeichen wird uns genau das kaputt gemacht“, so Enger im Airport Conference Center. Die Ärzte würden von Politik und Kassen inzwischen zu Bürgern zweiter Klasse gemacht. „Die Presse wirft uns nur zu gern Abzocke vor – und die Politik gefällt sich darin, sich ständig neue Verordnungen auszudenken, mit der sie uns kontrollieren und überwachen kann“, so Engers Situationsbeschreibung.
Die IG Med werde sich für gerechte Honorare, den Abbau von Bürokratie und Vorschriften sowie eine Reform des SGB V einsetzen, die den Ärzten ihre Bürgerrechte zurückgebe. Streikmaßnahmen stünden zwar nicht im Vordergrund. „Doch wenn es nötig wird, deutliche Maßnahmen zu ergreifen, um uns Gehör zu verschaffen, müssen wir auch bereit sein“, betonte Enger vor den Kollegen.
Auch Mitinitiator Dr. Steffen Grüner sprach vor der Gründungsversammlung. Die IG Med müsse sachlich und zielorientiert vorgehen, betonte er. Ziel nach dem Start sei das rasche Anwachsen auf ein breites Bündnis aus Ärzten, Zahnärzten und Heilberuflern. Gemeinsam müssten sie ihre Stimme erheben, um für Verbesserungen im System zu streiten. In einem zweiten Schritt werde aus der Bewegung dann die „Deutsche Ärztegewerkschaft“ (DÄG) hervorgehen. Laut Enger seien weitere Ausgründungen aus dem Verein – wie eine freie Kammer – später denkbar.
Zahnarzt Dr. Rolf Mahlke lobte die Neugründung auf dem Podium ebenfalls. Die Fachverbände seien derzeit nicht aktiv genug oder fänden keinen Weg, sich Gehör zu verschaffen – und die Körperschaften setzten lediglich gesetzliche Anweisungen durch. Nötig sei daher eine echte Interessensvertretung, die sich aus der Basis entwickle. Dass die IG Med auch anderen Berufsgruppen aus dem Gesundheitswesen offenstehe, sei ein Vorteil. „Wir haben erst kürzlich gehört, dass sich ein Verband der Medizinischen Fachangestellten über zu niedrige Gehälter beklagt hat. Ich würde ja gerne mehr zahlen – aber wir können solche Kostensteigerungen nicht einfach durchreichen wie ein Supermarktchef, der mal eben die Preise für die Milch erhöhen kann.“ Eine von vielen zu diskutierenden Aktionen können es ja sein, dass die Helferinnen öffentlichkeitswirksam die Praxen bestreikten – um auch die Lage aufmerksam zu machen.
Die Mitglieder der seit dem ersten Vortreffen im März aktiven Arbeitsgruppen stellten darüber hinaus erste Denkanstöße vor. Insbesondere die Ausführungen zur Honorarmisere, dem fehlendem Inflationsausgleich und der „durch die Bundesärztekammer vermasselte GOÄ-Reform“ fanden viel Zustimmung im Plenum. Ebenso die kritischen Worte in Sachen Telematikinfrastruktur. Viel Zustimmung erntete Enger für ihr Plädoyer für die Kostenerstattung in der ambulanten Versorgung: „Den ewigen Bedenkenträgern kann man nur sagen: In Frankreich funktioniert es doch auch.“
Zur Stunde beraten die Gründungsmitglieder noch über Satzungsdetails und Vorstandsposten. Der änd wird weiter über das Thema berichten.