Ärzteausbildung in Brandenburg
Aus dem Mail eines Insiders der brandenburgischen Wissenschafts-Community an den änd vom Mai 2019: „Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass es in Potsdam bald eine weitere private Medizinerausbildung gibt?“ Die bestehende private Ärzteausbildung heißt MHB (sprich: Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane), sie ist hauptsächlich in Neuruppin und der Stadt Brandenburg beheimatet. Die angesprochene weitere private Ärzteausbildung soll HMU (sprich: Health and Medical University Potsdam) heißen und hat bereits handelsregisterliche, IHK-spezifische und publizistische Spuren hinterlassen.
Man kann das Projekt HMU richtig einordnen, wenn man von allgemeinen auf die speziell-brandenburgische Parameter übergeht. Grundsätzlich haben in und nach Wahlkämpfen Ideen zur Gründung von Medizinerschmieden Hochkonjunktur. Belege gefällig? Bitteschön!
Ein Blick nach NRW und Bayern
Der aktuelle Koalitionspakt von Nordrhein-Westfalen (NRW) fixiert eine neue Medizinfakultät in Bielefeld sowie den bereits angelaufenen Modellversuch „Medizin neu denken“ der Unis Bonn und Siegen. Die letztjährige Landtagswahl in Bayern boxte die Idee einer „Med-Fak“ in Passau nach oben. Der schlussendlich ausgehandelte Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern im Freistaat verspricht mittelfristig über 2.000 zusätzliche staatliche Medizinstudienplätze. Erkennbare Stückelung: 1.500 in Augsburg (neue Fakultät), 600 in Bayreuth (neuer externen Campus von Erlangen).
Ideen zu mehr Ärzte-Ausbildungsplätzen machten auch in Brandenburg Schule. Wobei das Wahlprogramm der SPD, die Partei stellt mit Dietmar Woidke den dortigen Ministerpräsidenten, vor dem regionalen Urnengang am 1. September besonders üppig auftischt. In ihrem Wahlmanifest „Ein Brandenburg“ wird auf S. 35 nicht nur eine neue Medizinerschmiede in Cottbus avisiert. Das liest man teilweise durchaus auch bei der regionalen politischen Konkurrenz. Genauso wie das Abnicken einer weiteren finanzielle Förderung der MHB.
Die SPD geht in die Offensive
Die SPD geht vielmehr in die ordnungspolitische Offensive. Sie will als Teil einer zukünftigen Landesregierung bei der MHB mit ihren derzeitigen kommunalen Trägern eine „institutionelle Finanzierung oder Beteiligung an der Trägergesellschaft prüfen, um auch im Norden des Landes eine Medizinerausbildung zu erhalten.“ Diese Form der MHB-Trägergesellschaft mit inkludierter Regierungsbeteiligung wäre eine bundesweite Novität. Der MHB-Export in den Norden des Bundeslandes ein noch nie so durchdeklinierter externer Medizin-Campus.
Wer so kräftig an den strategischen Strippen zieht, muss natürlich damit rechnen, dass auch andere Lösungsansätze in Sachen Ärzteausbildung ins Scheinwerferlicht kommen. Etliche Insider erinnerten sich dann auch 2019 an das private Projekt HMU. Dem änd lag, wie oben dokumentiert, schon recht bald dazu eine sehr spezifische Nachfrage vor. Was ist an Fakten dazu in trockenen Tüchern?
Handelsregistereintrag von 2017
Zunächst ein Handelsregistereintrag aus dem Netz. Laut Wirtschaftsinfo sieht dieser von 2017 so aus: „Beim Amtsgericht Potsdam wurde die Firma HMU Health Medical University Potsdam GmbH am 12. 12. 2017 im Handelsregister eingetragen. Der Sitz der Firma befindet sich in 14482 Potsdam, Wetzlarer Straße 30. Als Geschäftsführung wurde Renken-Olthoff Ilona bestellt. Das Stammkapital wurde in einer Höhe von 25.000 Euro angegeben. Als Rechtsform wurde eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingetragen.“ Als Tätigkeit ist folgendes vermerkt: „Das Betreiben einer Universität.“
Danach kam eine Immobilen-Angelegenheit, die in lokalen Medien von Potsdam rege Beachtung fand. Wie unter anderem die „Märkische Allgemeine“ (Kürzel: MAZ) in 2017 und 2018 berichtete, erwarb zunächst die lokale Industrie- und Handelskammer (IHK) ein denkmalgeschütztes Objekt am Templiner See namens „Villa Carlshagen“, um dort ein Tagungszentrum zu errichten. Es wurden Millionen in die äußerliche Sanierung des repräsentativen Baus investiert. Die Innenräume blieben unangetastet. Aus dem Tagungsprojekt wurde nichts. Mittlerweile – so die MAZ – habe die „Hochschulunternehmerin Ilona Renken-Olthoff“ das Objekt gekauft, um dort schrittweise (z.B. mit Innensanierung und einem Neubau) die HMU zu installieren.
Als Starttermin für den HMU-Hochschulbetrieb wurde 2017 in der MAZ noch das Wintersemester 2019/2020 erwähnt. Das ist rein ablauftechnisch natürlich nicht mehr zu packen. Und das war’s auch schon mit den wichtigsten Details auf der Basis des öffentlichen Faktenkranzes. Und Frau Renken-Olthoff? Sie weist auf Nachfrage höflich auf die erwähnten medialen Plattformen hin und ist aktuell so frei, sich persönlich nicht weiter zum Projekt zu äußern.
Recherche in der Wissenschafts-Community
Man hat allerdings noch die partiell durchaus auskunftsfreudige Wissenschafts-Community als Ausweich-Recherchefeld, und dabei nicht nur die aus Brandenburg. Setzt man die gesammelten Info-Schnippsel zusammen, kommt folgendes Szenario heraus: Als stationärer Partner der HMU ist das kommunale Großkrankenhaus von Potsdam, das Klinikum Ernst von Bergmann, vorgesehen. Es wird auch angemerkt, dass der an sich gestrenge Wissenschaftsrat aus Köln das Projekt HMU per offizieller Konzeptprüfung 2018 relativ schnell behandelt und positiv beschieden habe. Wo dürfte es derzeit stecken? Allgemeine Lesart: Zur Freigabe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK).
Das Ungewöhnliche an diesem Szenario ist nun, dass man es durchaus einer Quasi- Plausibilitätsprüfung unterziehen kann. Und die geht so: Ilona Renken-Olthoff ist Wissenschaftsmanagerin mit einem dreifachen institutionellen Portfolio privatrechtlicher Art im Kreuz. Die Medical School Berlin (MSB), die Business School Berlin (BSP) und die Medical School Hamburg (MSH) mit insgesamt rund 5.500 Studenten..
Die Sache mit der hohen Messlatte
Zum universitären Teil der Hochschulgruppe gehört der 2019 eingerichtete Staatsexamens-Studiengang Humanmedizin an der MSH. Der startet zum Wintersemester 2019/2020 mit rund 90 Studienplätzen. Wer in Deutschland als privater Studienanbieter schliesslich auf der wissenschaftlich und lehrtechnisch sicheren Seite sein will, lässt sein Projekt vom Kölner Wissenschaftsrat bewerten. Der legt aber traditionell eine ziemlich hohe Messlatte an.
Die MSH ist mit ihrem Konzept Humanmedizin 2012 in diesen Prozess mit mehreren Konzeptprüfungen eingestiegen. An ihrer Seite als stationärer Partner für die klinische Ausbildung der Maximalversorger Helios-Klinikum in Schwerin. Der Wissenschaftsrat vermeldete im Oktober 2018 die Erfüllung aller vorgetragenen Auflagen. Die Hamburger Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung gab dann im April 2019 das endgültige Plazet.
Das ist vom Ablauf her genau das strukturelle Muster, das man auch für das Projekt HMU in Erfahrung bringen kann. Resultat: Eine ziemliche Plausibilitäts-Kongruenz MSH/HMU. Offen ist jetzt lediglich die Frage, wann die Wissenschafts-Administratoren in Potsdam das finale OK hinkriegen.
22.06.2019 07:17:57, Autor: jok