Zuerst Maskenskepsis, dann Pflicht, jetzt Ruf nach Abschaffung?

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  • Letzter Beitrag 09 Juli 2020
Dr. Günter Gerhardt schrieb 14 April 2020

Am 7.7.2020 kritisiert der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit  die Warnung von Karl Lauterbach vor einer Aufhebung der Maskenpflicht.

So langsam ist es doch nur allzu verständlich, dass Menschen wegen dieser widerspüchlichen Informationen auf der Straße ihrem Unmut Luft machen

 

Viele Materialien, die sich im Haushalt finden, halten Partikel und Tröpfchen ab, sodass sie das Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus verringern können. Dies haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz festgestellt.

Virologe Streeck am 10.06.2020: Wunderbarer Nährboden für Mikroben. (s. Artikel weiter unten)

 

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Dr. Günter Gerhardt schrieb 14 April 2020

Mundschutz

Stoffe, Papiertücher oder Staubsaugerbeutel gegen Corona

Viele Materialien, die sich im Haushalt finden, halten Partikel und Tröpfchen ab, sodass sie das Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus verringern können. Dies haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz festgestellt, die untersuch haben, wie gut OP-Masken und auch Materialien wie Baumwollstoffe, Küchenrollen_Papier und nicht zuletzt Staubsaugerbeutel wenige Mikrometer große Partikel aus der Luft filtern. Die Ergebnisse lassen sich nach Angaben der Forscher gut auf Tröpfchen anwenden, über die das neue Corona-Virus bevorzugt übertragen wird.

© luciepeclova/Adobe.Stock.de

Irgendein Stoff, den die Mainzer Forscher als Filtermaterial untersuchten, dürfte sich in jedem Haushalt finden. Ausser Baumwolle und Papiertücher prüften sie unter anderem Mikrofasertücher, Kaffeefilter und Vliese von Staubsaugerbeuteln darauf, wie gut sich daran Partikel und damit auch potenziell infektiöse Tröpfchen abscheiden.

„Wir haben festgestellt, dass alle untersuchten Filtermaterialien vor allem große Partikel von fünf Mikrometern und größer sehr effizient abscheiden. Die Effizienz liegt meist bei 90 Prozent und darüber“, sagt Frank Drewnick, Leiter einer Forschungsgruppe in der Abteilung Partikelchemie, in einer Mitteilung des Instituts. Somit könnten die Stoffe einen Großteil der Tröpfchen, die für die Ansteckung mit dem Coronavirus die größte Rolle spielen, abfangen. Denn diese Tröpfchen sind nach allem, was man derzeit weiß, deutlich größer als einige Mikrometer.

Filterwirkung hängt auch von der Geschwindigkeit des Luftstroms ab

Die Untersuchung ergab aber auch, dass die Filterwirkung für Partikel kleiner als 2,5 Mikrometer stark vom verwendeten Filtermaterial abhängt und zwischen 100 und 500 Nanometern oft ein Minimum erreicht. Es zeigte sich beispielsweise, dass Mikrofasertücher Partikel solcher Größe weniger effizient zurückhalten als Staubsaugervlies oder eine Kombination aus Baumwoll- und Biberstoff. Noch kleinere Partikel werden durch viele Materialien wieder besser abgefangen. Das SARS-CoV-2 Virus ist etwa 100 Nanometer groß. Laut Studien wird es beim Niesen, Husten oder Sprechen aber in wesentlich größeren Tröpfchen transportiert. Wie effizient ein Filter Partikel abscheidet, hängt jedoch nicht nur von der Partikelgröße ab, sondern auch von der elektrischen Ladung sowohl der Teilchen als auch der Fasern des Filterstoffs und der Geschwindigkeit der Luftströmung durch das Material.

Der Stoff für eine Gesichtsmaske muss allerdings nicht nur effizient Partikel und Tröpfchen abhalten, wichtig ist auch, wie leicht man durch ihn atmen kann. Um dies zu testen, haben die Atmosphärenforscher den Druckabfall der Luft bei Durchströmen durch das Filtergewebe gemessen. Er sollte am besten niedrig sein – bei gleichzeitig hoher Filterwirkung. Bei den Tests ergaben sich für doppellagigen festen Baumwollstoff sowie eine Kombination von Staubsaugerbeutelmaterial und Baumwollstoff etwas schlechtere Werte zum Druckabfall als für professionelle OP-Masken oder eine Kombination aus Jersey und Biberstoff. An einem Kaffeefilter scheiden sich größere Partikel zwar gut ab, sie sind aber kaum luftdurchlässig und deshalb nicht besonders praxistauglich.

Es kommt auf den Gebrauch einer Maske an

„Unsere Daten machen keine Aussage darüber, wie gut eine Gesichtsmaske tatsächlich schützt. Sie helfen aber möglicherweise bei der Auswahl geeigneter Filtermaterialien für selbstgenähte“, sagt Frank Drewnick, der weitere Materialien testen und größere Stichproben untersuchen will. Er betont, dass die Wirksamkeit einer Maske von vielen Faktoren abhängt. Entscheidend ist nicht nur die korrekte Handhabung, sondern auch, welcher Anteil der Luft beim Atmen, Husten oder Niesen tatsächlich durch die Maske oder durch einen Luftspalt zwischen Maske und Gesicht strömt oder wie häufig und auf welche Weise die Maske gereinigt wird.

Für die Untersuchung, welche „Allerweltsmaterialien“ sich zum Schneidern von Gesichtsmasken eignen könnten, funktionierten Frank Drewnick und sein Team kurzerhand einige Messinstrumente um, mit denen sie sonst die Eigenschaften atmosphärischer Aerosolpartikel analysieren. „Es zeigte sich schnell, dass unsere Messtechniken und Methoden zur Partikelerzeugung, die wir eigentlich für ganz andere Zwecke einsetzen, bestens geeignet sind, um im Labor Filter und Filtermaterialien zu untersuchen“, sagt Stephan Borrmann, Direktor der Abteilung Partikelchemie des Max-Planck-Instituts für Chemie.

Um die Abscheideeffizienz, also die Fähigkeit eines Materials, Partikel abzufangen, zu testen, nutzte Drewnicks Team Kochsalzpartikel definierter Größe und Aerosolpartikel im Nano- und Mikrometerbereich aus der Umgebungsluft. Die Partikel schickten sie mit einem Luftstrom durch die verschiedenen Proben und bestimmten davor und dahinter die Partikelkonzentration. Aus dem Unterschied der Partikelkonzentrationen ergibt sich dann die Effizienz, mit der ein Material Partikel einer bestimmten Größe abscheidet.

13.04.2020 11:25:12, Autor: Dr. med. Thoms Kron

 

Dr. Günter Gerhardt schrieb 11 Juni 2020

Virologe Streeck

 

Mund-Nase-Schutz kann Nährboden für Mikroben sein

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck sieht den Einsatz von Atemmasken im Alltag wegen der oft falschen Anwendung skeptisch. "Die Leute knüllen die Masken in die Hosentasche, fassen sie ständig an und schnallen sie sich zwei Wochen lang immer wieder vor den Mund, wahrscheinlich ungewaschen", sagte Streeck der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). "Das ist ein wunderbarer Nährboden für Bakterien und Pilze", so der Direktor des Instituts für Virologie der Universitätsklinik Bonn.

 

 

Über selbstgemachte Masken aus Stoff wird weiter intensiv diskutiert.

(c) Adobe.stock.de

 

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht das allgemeine Tragen von einfachem Mund- und Nasenschutz in der Öffentlichkeit weiter skeptisch. Sie hatte ihre bis dahin kritische Haltung gegenüber dem Tragen von Mundschutz in der Allgemeinbevölkerung zwar kürzlich geändert: Selbstgemachte Masken aus Stoff oder solche aus dem Supermarkt seien durchaus empfehlenswert in öffentlichen Verkehrsmitteln, Läden und anderen Einrichtungen, wo ein Abstand von mindestens einem Meter nicht eingehalten werden könne, heißt es in Anfang der Woche veröffentlichten Empfehlungen.

 

Die Organisation warnte aber erneut, dass solche Masken das Risiko einer Ansteckung auch erhöhen können. Etwa, wenn die Masken oft angefasst oder zeitweise nach unten ans Kinn und dann wieder über Mund und Nase gezogen würden. Außerdem könne ein falsches Sicherheitsgefühl die Träger veranlassen, weniger oft die Hände zu waschen oder weniger Abstand zu halten. Die Masken machten nur Sinn, wenn sie sachgemäß verwendet und alle anderen Vorgaben eingehalten werden, so die WHO.

 

Die Masken sollten demnach aus drei Schichten bestehen: einer inneren etwa aus Baumwolle, einer zweiten aus einem thermoplastischen Kunststoff wie Polypropylen und einer äußeren aus Polyester. Sie sollten nur mit sauberen Händen und nur an den Halterungen angefasst und einmal am Tag bei mindestens 60 Grad oder in einer verdünnten Chlorlösung gewaschen werden. Medizinische Masken seien sinnvoll für Mitarbeiter im Gesundheitswesen, Covid-19-Patienten sowie ihre Pflegekräfte und Menschen ab 60 oder gesundheitlich vorbelastete, hieß es von der WHO auch.

 

Streeck skeptisch gegenüber Nutzen der Corona-Warnapp

 

Skeptisch steht Virologe Streeck auch dem Nutzen der von der Bundesregierung geplanten Corona-App gegenüber. Sie komme ein „bisschen spät“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Vor allem wisse man nicht, „ob sie überhaupt etwas dazu beitragen kann, in Deutschland eine Pandemie zu kontrollieren“. 

 

Ebenfalls kritisch sieht Streeck den Nutzen massenhafter Corona-Tests, und zwar angesichts der hohen Kosten. Bei 400.000 Tests pro Woche bedeute dies eine Stange Geld. „Wenn dann noch systematisch gescreened werden soll, wird es noch mehr. Wenn wir nur 1 positives Ergebnis auf 100 Tests sehen, fragt sich ja, ob das noch lohnt.“ 

 

Streeck kritisierte darüber hinaus die getroffenen Corona-Beschränkungen in Deutschland. Nach dem Verbot von Großveranstaltungen seien die Infektionszahlen bereits gesunken. „Die weiteren Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen hätte ich dann vom tatsächlichen Verlauf abhängig gemacht, auch um zu sehen, wie die einzelnen Beschränkungen wirken und ob zusätzliche Schritte wirklich nötig sind.“ Stattdessen sei Deutschland „zu schnell in den Lockdown gegangen“, weil neben der Sorge um die Kapazität der Krankenhäuser „ein gewisser Druck in der Öffentlichkeit“ bestanden habe.

 

10.06.2020, Autor: dpa/red

 

Dr. Günter Gerhardt schrieb 09 Juli 2020

Maskenplicht

Virologe nennt Lauterbachs Warnungen „hochgefährlich“

Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit hat die Warnung des SPD-Gesundheitspolitikers Karl Lauterbach vor einer Aufhebung der Maskenpflicht im Handel kritisiert. Masken hätten nur dort Sinn, wo Menschen auf engem Raum längere Zeit zusammen seien.

Schmidt-Chanasit stößt sich an Lauterbachs Äußerungen zur Maskenpflicht..

„Wenn ich den Zugang so regele, dass entsprechend wenig Leute im Geschäft sind, die die Abstände dann einhalten, ist eine Maske auch nicht sinnvoll“, sagte Schmidt-Chanasit dem „Hamburger Abendblatt“. Schmierinfektionen, vor denen Lauterbach warne, seien auch nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung keine große Gefahr. „Solche Äußerungen führen zu einer Dauer-Aufgeregtheit und können zu einer Corona-Müdigkeit führen. Und das ist hochgefährlich“, meinte Schmidt-Chanasit.

Lauterbach hatte kürzlich vor einer Aufhebung der Regelung gewarnt. „Die Maskenpflicht im Handel ist eines der wichtigsten Instrumente im Kampf gegen das Coronavirus. Es wäre das völlig falsche Signal, diese Pflicht jetzt schon wieder aufzuheben“, sagte der Bundestagsabgeordnete der „Rheinischen Post“. „Schafft eine Landesregierung die Maskenpflicht ab, experimentiert sie mit der Gesundheit der Menschen und erhöht das Risiko für eine zweite Infektionswelle.“

Schmidt-Chanasit hält es für möglich, dass unter neuen Hygiene-Standards auch Diskotheken wieder öffnen. „In Asien standen schon immer auf den Tanzflächen Tische, um die sich die Gäste dann bewegen. Wenn sich die Gäste daran halten, kann das auch hier ein Weg sein.“

Auch Fußballspiele mit Fans in Stadien sind nach Ansicht des Virologen bei reduzierter Kapazität denkbar, sofern die Besucher Abstand halten und die Nachverfolgbarkeit gesichert ist. „Aber zugegeben, es fällt mir schwer zu glauben, das Fans auf lautstarkes Anfeuern und Gesänge verzichten können“, fügte Schmidt-Chanasit hinzu. Lauterbach hatte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch) gesagt: „Fußball-Bundesliga-Spiele mit Zuschauern halte ich für nicht verantwortbar.“

09.07.2020, 11:36, Autor: dpa/änd

 

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