1. Stützung extrabudgetärer Leistungen durch die Krankenkassen
2. Härtefallregelung für budgetäre Leistungen
3. Finanzierung sonstiger Maßnahmen
4. Wie geht es jetzt weiter?
1. Stützung extrabudgetärer Leistungen durch die Krankenkassen
2. Härtefallregelung für budgetäre Leistungen
3. Finanzierung sonstiger Maßnahmen
4. Wie geht es jetzt weiter?
Corona
Ärger über fehlende Wertschätzung seitens der Politik, Angst vor einem Patientenansturm wegen mehr Testungen und Streit mit den Krankenkassen ums Geld für Schutzausrüstungen – das sind die Eckpfeiler der „Nach-Lockdown“-Betrachtung in Brandenburg. Vorstand und Vertreterversammlung der KV sind sich dennoch einig, dass es ohne die ambulante Medizin düster ausgesehen hätte bei der Versorgung von Covid-19-Patienten.
KVBB
„Das ist das Gegenteil von Wertschätzung“, sagt Dr. Frank Berthold und beklagt: „Wir haben eine sehr starke Vorleistung erbracht und werden jetzt abgewatscht.“ Das sei wie eine Ohrfeige. Die Ohrfeige, die Berthold im Gespräch mit dem änd meint, ist der Schiedsspruch zur Vergütung der Corona-Tests (PCR-Test), wonach statt bisher 59 Euro noch 39 gezahlt werden. Den Labormediziner ärgert, dass die Absenkung der Vergütung offenbar mehr eine politische Entscheidung als das Ergebnis einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung gewesen ist. Das sei weder kostendeckend noch motivierend, sagt Berthold. Er ist seit vielen Jahren Mitglied der Brandenburger KV-Vertreterversammlung, in Frankfurt (Oder) leitet der Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie das MVZ Ärztliches Labor.
„Wir haben uns innerhalb der Corona-Situation extrem engagiert und in sehr kurzer Zeit von kleinen Testserien-Längen auf große umgestellt“, berichtet er. In Zahlen heißt das: rund 27.000 Tests seit Anfang März, „in 80 Prozent der Aufträge konnten wir innerhalb von 24 Stunden das Ergebnis liefern“. Das sei sehr schnell – etwa im Vergleich zu Berlin, wo es bis zu den Testergebnissen bis zu einer Woche dauere. Für sein MVZ bedeutete das auch: veränderte Arbeitsabläufe, mehr Personal und neue Technik. Jüngst hat Berthold, wie er sagt, 500.000 Euro investiert, um automatisiert noch mehr Tests durchführen zu können. Aber: die Stimmung unter den Kollegen, „einschließlich der Berufsverbände“ schlage inzwischen um, „viele wollen nicht mehr mitmachen“. Ob die Testkapazitäten angesichts der verminderten Bezahlung weiter vorgehalten werden, sei fraglich.
Bertholds Schilderung ist eine von vielen, die in der Gesamtschau eine Vermutung nahelegen: die Brandenburger Niedergelassenen fühlen sich kaum wertgeschätzt. In der jüngsten KV-Vertreterversammlung in Potsdam fasste KVBB-Chef Peter Noack die Stimmungslage so zusammen: „Die Entwicklung hat gezeigt, was wir als Niedergelassene leisten können.“ Bis zu 50 Abklärungen habe es pro Tag gegeben, sechs von sieben Covid-19-Patienten seien ambulant behandelt worden. Die niedergelassenen Ärzte seien somit zum Schutzwall der Kliniken geworden. „Das alles haben wir aus eigener Gestaltungskraft heraus geschafft - ohne einen dreiseitigen Aufruf der Ministerin und ohne eine 160 Millionen-Euro-Förderung (für die Kliniken, Anm.). Aber Anerkennung wurde uns nicht zuteil.“ Die Landesgesundheitsministerin musste laut Noack zu ihrem Dankesschreiben getragen werden, die KV habe nicht einmal eine Empfangsbestätigung erhalten. Und: „Im Konjunkturprogramm ist für die ambulante Medizin kein Platz mehr gewesen, das hätte ich mir für unsere aktiven Kollegen gewünscht“, sagte der KV-Chef und kündigte an: „Wir werden trotzdem weiter machen.“
Corona habe die Welt verändert, das gesellschaftliche, wirtschaftliche und „uns aller Zusammenleben beeinflusst und eine erhebliche Einschränkung unserer Freiheitsrechte mit sich gebracht“, sagte Noack weiter. Manchmal habe er geglaubt, die EU-Staaten wollten sich gegenseitig überbieten, oftmals sei klein-staaterisch und ohne Abstimmung gehandelt worden. „In Deutschland hatten wir vor allem Glück, dass Frankreich und Spanien zuerst konfrontiert waren, und wir dadurch einen zeitlichen Vorsprung hatten.“ Der Lockdown sei aus heutiger Sicht radikal, aber aus epidemiologischer Sicht richtig gewesen, so Noack. Er dankte den Kollegen, „hier war unendlich viel Arbeit zu leisten, etwa bei der Beschaffung von Schutzausrüstung.“
„Erste Lieferungen von Spahn hatten Größe eines Schuhkartons“
KV-Vize Andreas Schwark ergänzte, die Situation um die Schutzausrüstung sei verheerend gewesen. Und auch Holger Rostek, Verwaltungsvorstand der KVBB, treibt das Thema bis heute um. Zu Spitzenzeiten seien 80 Mitarbeiter der KV allein mit Corona und der Besorgung der Schutzausrüstung beschäftigt gewesen. „Die ersten Lieferungen von Herrn Spahn kamen mit DHL und hatten die Größe eines Schuhkartons“, sagte Rostek. „Und was drin war, war auch sehr spannend.“ Die KVBB habe die Besorgung schließlich selbst übernommen und mit der KV Thüringen zusammengearbeitet. Bestellungen in Shanghai mit vorheriger Überweisung von 750.000 Dollar gehörten zum Alltag. Die Firma ATU in Potsdam habe der KV eine Lagerhalle zur Verfügung gestellt, allerdings reichte die nicht aus. Ein Problem sei zudem die Logistik gewesen, denn DHL habe sich mit der Begründung, in Krisenzeiten keine Neu-Kunden anzunehmen, einer Beauftragung verweigert. Eingesprungen sei schließlich das Unternehmen „Partyrent“, und habe die Logistik für die KV übernommen.
Insgesamt habe die KVBB mehr als eine Million FFP2/KN95-Masken, über eine Million Mund-Nasen-Schutze/OP-Masken, 72.300 Schutzbrillen und 5.000 Liter Desinfektionsmittel beschafft. Verwaltet worden seien 1,9 Millionen Masken, 3,3 Millionen Mund-Nasen-Schutze, 75.400 Schutzbrillen, 1,6 Millionen Handschuhe, 65.000 Pflege-/OP-Kittel und mehr als 11.000 Liter Desinfektionsmittel. Inzwischen liefere die KV nur noch Restbestände aus, neue Bestellungen werde es nicht geben. „Und wir werden durchsetzen, dass die Krankenkassen vollständig bezahlen, gegebenenfalls werden wir klagen.“ Laut Rostek übernehmen die Krankenkassen in Brandenburg bisher nur 90 Prozent der Kosten. Zankapfel sind demnach die Privatpatienten, die von der KV über die niedergelassenen Ärzte mitversorgt worden seien, aber keine Beiträge an die Krankenkassen zahlen. „Wir bleiben bisher auf zehn Prozent der Kosten sitzen“, sagte Rostek. Er höre immer nur, „es soll (gezahlt werden, Anm.), aber nicht, ,es wird‘. Wir haben noch keine Re-Finanzierung, und brauchen daher ganz dringend eine Regelung.“ Für den Fall einer zweiten Infektionswelle brauche es zudem qualitätsgesicherte Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel in ausreichender Menge und mit geklärter Refinanzierung. „Aber auch hier gibt es im Moment nur vollmundige Versprechen“, sagte Rostek.
Die niedergelassenen Ärzte treibt derweil die Sorge um, wie sich die Ausweitung der Corona-Test-Kapazitäten auf das Verhalten der Patienten auswirkt. Die Senftenberger Allgemeinmedizinerin Stephanie Lenke regte daher eine „Argumentationshilfe seitens der KV gegenüber den Patienten an“. Die Botschaft müsse sein, „latscht nicht einfach in unsere Praxen, sondern ruft vorher an“. Die Vertreterversammlung gab in ihrer Sitzung zudem einer Änderung des regionalen Honorarverteilungsmaßstabs statt, wonach eine Fortführung der Schutzschirm-Regelung beschlossen wurde. „Allerdings bedeutet der Schutzschirm nicht, dass Praxen bis zu 100 Prozent Vergütung bekommen“, sagte KV-Chef Noack. Entscheidend sei, wie hoch jeweils der Anteil der abgerechneten mGV- und eGV-Leistungen* ist.
*mGV: morbiditätsorientierte Gesamtvergütung, eGV: extrabudgetäre Gesamtvergütung