Die "Bürgerversicherung" ist tot, es lebe die Versicherung für Bürger!

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  • Letzter Beitrag 26 Dezember 2017
Dr. Günter Gerhardt schrieb 17 Dezember 2017

MdB Michael Hennrich (CDU) fordet die SPD auf, sich von der Begrifflichkeit der Bürgerversicherung zu verabschieden und sich den Sachproblemen zu nähern.
In 4 Punkten sieht Hennrich  Optionen für Kompromisse:

1. Abschaffung Zusatzbeitrag und Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung der Kassenbeiträge.
2. Öffnung der GKV für Beamte nach Hamburger Modell
3. Erweiterte Steuerfinanzierung der GKV
4. Festhalten der Union an Dualität von GKV und PKV, einheitliche Gebührenordnung kann man sich vorstellen.

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Dr. Günter Gerhardt schrieb 26 Dezember 2017

Regelungsbedürftig ist insbesondere die Mitnahme der Alterungsrückstellungen der PKV-Versicherten beim Wechsel in eine GKV-Kasse. Dabei ist zum einen auf eine verfassungsrechtlich konforme Ausgestaltung zu achten und zum anderen ist politisch klärungsbedürftig, wie die Rückstellungen in die Finanzausgleichsmechanismen der GKV einbezogen werden.

DER WEG ZUR BÜRGERVERSICHERUNG

Die Expertenrunde der FES (Friedrich Ebert Stiftung) sieht aufgrund der oben beschriebenen Probleme die Notwendigkeit, mit der Umgestaltung unseres Krankenversicherungssystems ohne weitere Verzögerungen zu beginnen. Es sind Elemente der Bürgerversicherung zu identifizieren, die zu deren Einführung erforderlich sind. Jedes einzelne Element ist danach zu bewerten, wie sicher es zu den gewünschten Effekten für Versicherte und Patient_innen führt. Dabei gibt es keine Reihenfolge. Entscheidend ist vielmehr, dass jetzt mit den Umsetzungsschritten begonnen wird, um unser solidarisches Krankenversicherungssystem zukunftsfest zu machen. Jede Umstellung auf ein neues Finanzierungssystem ist mit Unsicherheiten verbunden, auch wenn sie, wie bei der Bürgerversicherung, im Ergebnis zu mehr Solidarität und mehr Gerechtigkeit führt und nachhaltig die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitswesens stärkt und die Versorgung verbessert. Die Einführung einer Bürgerversicherung in einem Schritt ist auch aus diesem Grund unrealistisch. Es ist geboten, eine sehr sorgfältige Folgenabschätzung vorzunehmen. Auch in der Übergangsphase, die je nach politischer Konstellation in Bund und Ländern, weit mehr als zehn Jahre in Anspruch nehmen wird, muss gelten, dass gute Gesundheitsdienstleistungen zur Verfügung stehen, bezahlbar für alle, die sie benötigen.


FÜNF ELEMENTE ZUR BÜRGERVERSICHERUNG


1.GUTE QUALITÄT VERLÄSSLICH FINANZIEREN

Eine bessere Finanzierung guter Qualität kann nur in einem einheitlichen Versorgungssystem für alle Bürger_innen sichergestellt werden. Von der Versicherungswirtschaft und einigen Gesundheitsökonom_innen wird behauptet, die PKV übe mit ihrer „Innovationsoffenheit”  Druck auf die GKV aus, ohne den deren Versorgungsniveau niedriger wäre. Das ist falsch. Die Leistungen der GKV müssen dem Stand des medizinischen Wissens entsprechen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidet auf Basis des Grundsatzes der „evidenzbasierten Medizin”. Seine wissenschaftlichen Institute bewerten, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, Arzneimittel und Medizinprodukte tatsächlich ein medizinischer Fortschritt sind und welche nicht. Solche Instrumente der Qualitätssicherung und Nutzenbewertung in der Medizin hat die PKV nicht. Sie beteiligt sich im Unterschied zur GKV auch nicht am Innovationsfonds für neue Versorgungsformen oder am Strukturfonds für die Krankenhäuser. Diese werden nur von den gesetzlich Versicherten finanziert. Sie kommen aber allen Bürger_innen zugute. Sie gehören, wie auch die Prävention, zur allgemeinen Daseinsvorsorge, die eine grundgesetzliche Aufgabe der Länder ist. Die Länder müssen daher mehr Verantwortung übernehmen und sich gemeinsam mit dem Bund stärker an der Finanzierung beteiligen. Investitionen in die Sicherstellung der medizinischen Versorgung sowie in die Gesundheitsförderung und in die Prävention sind nicht zwangsläufig mit einer höheren Staatsverschuldung verbunden. Sie rechnen sich und haben positive Wirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Modernisierung der Versorgungsstrukturen und die Förderung der Prävention sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die über Steuern zu finanzieren sind. Die Länder und der Bund müssen sich daran stärker beteiligen.

 

Dr. Günter Gerhardt schrieb 26 Dezember 2017

2. MIT PARITÄTISCHER BETEILIGUNG DER ARBEITGEBER_INNEN DIE VERSORGUNG VERBESSERN

Die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung hat nicht nur eine Entlastungswirkung für Versicherte. Vielmehr nimmt sie die Arbeitgeber_innen in Verantwortung für die Gesundheit ihrer Beschäftigten und beteiligt sie an der Entwicklung einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung. Die Arbeitgeber_innen bilden zusammen mit den Versicherten die Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenkassen. Sie müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass mit den Beiträgen der Versicherten Prävention und Versorgung im Krankheitsfall gewährleistet sind. Das funktioniert aber nur dann gut, wenn Versicherte und Arbeitgeber_innen wieder je zur Hälfte (paritätisch) die Beiträge zahlen. Hinzu kommt, dass negative Wirkungen im Wettbewerb der Krankenkassen vermieden werden. Der Zusatzbeitragssatz führt zu einer Preisdominanz. Stattdessen wird der Fokus stärker auf einen Wettbewerb um eine gute und qualitativ hochwertige gesundheitliche Versorgung gelegt. Arbeitgeber_innen bzw. die Rentenversicherung zahlen die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrags. Ein Zusatzbeitrag wird nicht erhoben.

Dr. Günter Gerhardt schrieb 26 Dezember 2017

3. PASSGENAUE LEISTUNGEN, UNABHÄNGIG VOM EINKOMMEN ERMÖGLICHEN

Bislang hat das duale System die Versorgungsunterschiede zementiert. Unterschiedliche Vergütungen vor allem bei ambulanten ärztlichen Leistungen, die allein durch den Versicherungsstatus bedingt sind, tragen zu diesen unerwünschten Versorgungsunterschieden bei. Ein Gesundheitswesen für alle Bürger_innen braucht den gleichen Zugang zu allen Gesundheitsdienstleistungen. Dies setzt voraus, dass die Vergütungsunterschiede für die Leistungserbringung zwischen PKV und GKV nicht noch weiter vertieft, sondern angenähert werden müssen. Die unterschiedlichen Vergütungsordnungen von GKV und PKV werden in eine einheitliche Vergütungsordnung überführt.

4. WAHLRECHTE DER VERSICHERTEN STÄRKEN

Bislang werden Versicherte abhängig von Einkommen und Status einem Versicherungssystem zugeordnet und können diesem auch nur schwer entfliehen. Wer ein Einkommen bis zur Versicherungspflichtgrenze hat, kann sich nur gesetzlich versichern, kann jedoch zwischen den derzeit 117 Krankenkassen4 weitgehend problemlos wechseln. Der Zugang zur privaten Krankenversicherung hängt vom Einkommen oder Status (Beamt_innen, Selbstständige) ab. Da es dort keinen Kontrahierungszwang gibt, ist ein Wechsel zu einer anderen Versicherung ohne erhebliche Beitragssteigerung kaum möglich. Wer ein hohes Einkommen hat, kann einmalig entscheiden, ob er freiwillig gesetzlich versichert bleiben will. Beamt_innen haben schon seit dem Gesundheitsreformgesetz 1989 prinzipiell keinen Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung. Es ist erforderlich, im Rahmen der Einführung der Bürgerversicherung diese Wahlrechte anzugleichen. Dabei sind Übergangsmöglichkeiten auch für die bisher bereits Versicherten vorzusehen. Das Wahlrecht einer Krankenversicherung wird unabhängig vom beruflichen Status und vom Einkommen für alle Bürger_innen in gleicher Weise gewährleistet.

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Dr. Günter Gerhardt schrieb 26 Dezember 2017

5. MEHR GESUNDHEITSLEISTUNGEN DURCH GERECHTE LASTENTEILUNG ZUSICHERN

Trotz steigender finanzieller Beteiligung der Versicherten an den GKV-Ausgaben sind die Qualität und der Umfang der GKV-Leistungen in den letzten Jahren nicht im selben Maße gestiegen. Einige Leistungen wurden sogar vollständig gestrichen oder nur noch begrenzte Zuschüsse gewährt. Wenn die Schere zwischen Beitragshöhe und Gesundheitsleistungen weiter auseinandergeht, sinkt das Vertrauen der Bürger_innen in die GKV. Deshalb ist zu prüfen, ob Leistungen, wie z. B. Sehhilfen, Hörgeräte oder Zahnersatz wieder als Sachleistung in den Katalog der GKV aufgenommen werden sollten, auch wenn das mit höheren Ausgaben verbunden ist. Dafür wird eine gerechtere Lastenteilung benötigt.

FES Stand September 2016

http://library.fes.de/pdf-files/wiso/12990-20161214.pdf

 

 

s. dazu unten der passende Artikel "Krankenkassen: Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben wird größer" im Deutschen Ärzteblatt vom 15.8.2016

 


 

 


 


Dr. Günter Gerhardt schrieb 26 Dezember 2017

Krankenkassen: Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben wird größer

Montag, 15. August 2016

Berlin – Die gesetzliche Kran­ken­ver­siche­rung (GKV) muss sich bis zum Jahr 2020 auf deutliche Ausgabensteigerungen einstellen. Das zeigen neue Hochrechnungen des Wissenschaftlers Jürgen Wasem (Universität Duisburg-Essen), die dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vor­lie­gen.

Seinen Angaben zufolge steigen die Aus­gaben der GKV in den nächsten vier Jahren von 220,6 Milliarden Euro (2016) auf güns­tigstenfalls 272,9 Milliar­den Euro und schlechtes­ten­falls auf 279 Milliarden Euro im Jahr 2020. Der Gesundheits­ökonom machte auf Nach­frage des DÄ deut­lich, dass es sich bei den Berech­nungen zwar um neue Zahlen, aber zugleich lediglich um eine „Trend­fort­schrei­bung der Schere zwischen Grundlohnwachs­tum und Ausgaben­wachs­tum“ handelt.

Die Zahlen verdeutlichen, dass die Zuweisungen des Ge­sund­heitsfonds an die Kranken­kassen nicht in gleichem Maße steigen wie die Ausgaben wachsen: Liegt die Differenz zwischen den Zuweisungen aus dem Fonds an die Kassen und den GKV-Ausgaben heute noch bei 14,4 Milliarden Euro, beträgt das Delta den Hochrechnungen zufolge im Jahr 2020 zwischen 33,7 und 39,8 Milliarden Euro.

Dies hat zur Folge, dass die Krankenkassen eine immer größere Lücke über Zusatzbei­träge abfangen müssen. Den Berechnungen Wasems zufolge könnte der durch­schnitt­liche Zusatzbeitrag von heute 1,11 Prozent bei einer pessimis­tischen Rech­nung auf 2,63 Prozent und bei einer optimistischen auf 2,22 Prozent im Jahr 2020 stei­gen.

Oder anders gesagt: Während ein Durchschnittsverdiener nach Wasems Berechnungen in diesem Jahr bei einem beitragspflichtigen Einkommen von 1.960 Euro im Schnitt 21,76 Euro Zusatzbeitrag im Monat zahlt, könnte sich der Beitrag bis 2020 mehr als ver­doppeln. Dann könnten bei einem Durchschnittseinkommen von 2.261 Euro zwischen 50,26 Euro und 59,36 an Zusatzbeitrag fällig werden.
Angesichts der Zahlen warnte die Linkspartei, die Zusatzbeiträge für Krankenversicherte drohten innerhalb der kommenden Jahre zu explodieren. „Die Bundesregierung fährt die öffentliche Gesund­heitsversorgung vor die Wand“, erklärte Parteichef Bernd Riexinger. Er forderte erneut, die Zusatzbeiträge paritätisch auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufzuteilen.

Bei den Krankenkassen wird derzeit nur ein allgemeiner Beitragssatz von 14,6 Prozent je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert. Darüber hi­nausgehende Kos­ten müssen die Versicherten in Form von Zusatzbeiträgen alleine tragen. Über die Auf­hebung der bisherigen Finanzierung und die Wiedereinführung der Parität streiten SPD und Union seit Jahren. Die SPD ist dafür, CDU und CSU sind bislang dagegen.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) forderte – wie die Linke und auch die Grünenim Bundestag – eine gerechte Kostenver­teilung. „Werden die Arbeitgeber nicht bald ver­pflich­tet, die Kostenexplosion gemeinsam mit den Versicherten zu stemmen, so hat dies eine tiefgreifende Gerechtigkeitslücke zur Folge“, kritisierte Verbandspräsident Adolf Bauer.

Unterdessen hat der GKV-Spitzenverband betont, er rechne nicht mit solch dramatischen Anstiegen. „Auch wir gehen von steigenden Zusatzbeiträgen aus. Allerdings sind unsere Prognosen nicht ganz so drastisch“, sagte die stellvertretende Verbandssprecherin Ann Marini dem SWR-Info. Die Kassen gingen 2019 von einem durchschnittlichen Zusatzbei­tragssatz von 1,8 Prozent aus. Darauf habe der Spitzenverband in den vergangenen Monaten immer wieder hingewiesen. Wasem hatte für 2019 einen möglichen Zusatz­bei­trag berechnet, der sich zwischen 1,93 Prozent und 2,23 Prozent bewegt.

Union: Versicherte nicht verunsichern
Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Michalk, erklärte zu den Zahlen, diese seien für sie „nicht nachvollziehbar“. „Die Berechnungen beruhen auf allgemeinen Annahmen. Die Entwicklung der Gesundheitsausgaben hängt aber von vielen Faktoren ab, auch kurzfristigen“, sagte sie. Erst mit den fundierten Ana­ly­sen des Schätzerkreises, der seine Ergebnisse im Oktober vorlegen werde, seien ge­nauere Aussagen zur Entwicklung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages möglich.

„Daher sind Spekulationen über eventuell enorme Beitragserhöhungen derzeit nicht an­ge­bracht. Sie verunsichern die Versichertengemeinschaft nur unnötig“, befand Michalk. Sie kündigte an, die Unionsfraktion wolle sich im Oktober mit den Entwicklungen der Krankenkassen­beiträge befassen. 

 

 

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