PKV entsorgen, dafür Bürgerversicherung?

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  • Letzter Beitrag 17 Juli 2021
Dr. Günter Gerhardt schrieb 17 Juli 2021

Immer wieder vor einer Bundestagswahl poppt sie hoch, die uralte Diskussion um die Abschaffung des dualen Systems GKV + PKV und dafür dann die Bürgerverscherung. Zu diesem Thema wurde auf dieser Seite schon viel geschrieben. Bitte Suchfunktion nutzen. 

Ein neues Gutachten (s.u.) verspricht Kassen Milliarden Einsparungen.

Einen Knackpunkt "Was passiert mit den Honorareinbussen?" bitte schon an dieser Stelle lesen:

Doch was passiert mit den Honorareinbußen, die die niedergelassenen Ärzte durch den Wegfall der PKV hinnehmen müssten? Hier gibt eine Fußnote im Gutachten Aufschluss: So unterstellen die Gutachter, dass die derzeit in der GKV geltenden Vergütungsregeln auch in der solidarischen Krankenversicherung zum Einsatz kommen. „Dadurch entstehen den niedergelassenen Ärzten Einkommenseinbußen. Sollten diese kompensiert werden, entstünden der Sozialversicherung weitere Ausgaben, die nachfolgend nicht berücksichtigt sind.“ Die Honorareinbußen der niedergelassenen Ärzte – und deren finanziellen Ausgleich – spart das Gutachten also komplett aus.

Dr. Günter Gerhardt schrieb 17 Juli 2021

Bürgerversicherung

Gutachten verspricht Kassen Milliarden-Entlastung

Die Bürgerversicherung könnte auch in diesem Jahr zum Wahlkampfschlager avancieren. Ein Gutachten im Auftrag der Linken verspricht Mehreinnahmen für die gesetzlichen Kassen in Milliardenhöhe. Doch was passiert eigentlich mit den Honorareinbußen der Niedergelassenen?

Mit der Bürgerversicherung der Linken würde der durchschnittliche GKV-Beitrag um 3,5 Prozentpunkte auf 12,1 Prozent sinken, schreiben die Gutachter in ihrer Studie.

Die Bundestagsfraktion der Linken wollte es genau wissen und hat ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das gut 50-seitige Werk mit dem sperrigen Titel „Beitragssatzeffekte und Verteilungswirkungen der Einführung einer ‚Solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung‘“ der Gesundheitsökonomen Prof. Heinz Rothgang und Dominik Domhoff von der Uni Bremen liegt dem änd vor. Es berechnet, mit welchen Milliardenbeträgen die gesetzlichen Krankenkassen kalkulieren könnten, wenn die private Krankenversicherung wegfiele.

Das Ziel formulieren die Gutachter mit den Worten: „Alle in Deutschland lebenden Menschen sind in der Solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung versichert, jede Person erhält ab Geburt einen Versicherungsanspruch, wer hohe Einkommen hat, zahlt viel, wer wenig Einkommen hat, zahlt wenig und wer kein Einkommen hat, zahlt nichts.“ Berücksichtigt würden zudem alle Einkommensarten, auch Zins- und Kapitalerträge. Und bei den Beamten wolle man die Beihilfe durch einen Arbeitgeberanteil des Dienstherrn ersetzen. Dem Gutachten zugrunde liegen die offiziellen Einkommensdaten aus dem Jahr 2018.

Das Ergebnis: Mit diesem Modell der Bürgerversicherung würde der durchschnittliche GKV-Beitrag um 3,5 Prozentpunkte auf 12,1 Prozent sinken. Die Höhe der Beiträge auf Löhne und Renten würde also um 22,4 Prozent sinken, rechnen die Autoren vor. Die wichtigste Rolle spiele dabei die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze (-1,5%), gefolgt von der Beitragspflicht für alle Einkommensarten (-0,7%) und der Einbeziehung der Privatversicherten (-0,6%). Die Summe der einzeln betrachteten Effekte sei geringer als die Gesamtentlastung, weil die Effekte sich gegenseitig verstärkten, heißt es.

80 Prozent der Beitragszahler könne man mit diesem Modell entlasten. Die reichsten zehn Prozent würden mit 58 Prozent Beitragssteigerung dagegen deutlich belastet.

Bei den derzeit privat Versicherten ergebe sich folgendes Bild: „Die unteren fünf Dezile würden in einer Solidarischen Krankenversicherung gegenüber ihren derzeitigen PKV-Beiträgen entlastet, besonders deutlich die Privatversicherten, die den unteren zwei Einkommensdezilen zugeordnet sind“, schreiben die Autoren. Hier liege die Entlastung zwischen 60 und 71 Prozent. Im sechsten, siebten und achten Dezil seien die Auswirkungen sehr moderat (-7% bis +12%). Das neunte Dezil müsse mit um 28 Prozent höheren Beiträgen rechnen, die einkommensstärksten zehn Prozent müssten 90 Prozent mehr zahlen. Dies zeige, „wie günstig sich derzeit Einkommensstarke in der PKV absichern können“, so die Gutachter.

Die Autoren versprechen den gesetzlichen Kassen Mehreinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe: „Wenn man die Solidarische Gesundheitsversicherung einführt, ohne die Beitragssätze zu senken, würden über 76 Mrd. Euro p.a. an Mehreinnahmen generiert.“

Ein Grund für die Entlastungen: Die Leistungen für bisher Privatversicherte werden nicht mehr gemäß der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vergütet, „die für gleiche Leistungen durchschnittlich höhere Entgelt vorsieht und im Umlageverfahren keine Altersrückstellungen aufgebaut werden müssen“, schreiben die Autoren.

IW-Gutachten: Entlastungen wären nur temporär

Doch was passiert mit den Honorareinbußen, die die niedergelassenen Ärzte durch den Wegfall der PKV hinnehmen müssten? Hier gibt eine Fußnote im Gutachten Aufschluss: So unterstellen die Gutachter, dass die derzeit in der GKV geltenden Vergütungsregeln auch in der solidarischen Krankenversicherung zum Einsatz kommen. „Dadurch entstehen den niedergelassenen Ärzten Einkommenseinbußen. Sollten diese kompensiert werden, entstünden der Sozialversicherung weitere Ausgaben, die nachfolgend nicht berücksichtigt sind.“ Die Honorareinbußen der niedergelassenen Ärzte – und deren finanziellen Ausgleich – spart das Gutachten also komplett aus.

Auch das arbeitgeberfinanzierte Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat berechnet, was eine Bürgerversicherung für die Versicherten in Deutschland bedeuten würde. Die Studie komme zu dem Schluss, dass die Gruppe der heute gesetzlich Versicherten sich auf geringere Beiträge einstellen könnte - allerdings nur für etwa sechs Jahre. Dann würde der Kassenbeitrag wieder auf das Niveau von heute steigen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“.

Sie zitiert den Studienautor Jochen Pimpertz, der am IW Köln unter anderem zu Krankenversicherung und Verteilungsfragen forscht: „Wenn alle anderen Rahmenbedingungen unverändert bleiben, die Kosten also weiterhin überproportional wachsen, dann wäre nach sechs Jahren das alte Beitragsniveau wieder erreicht.“

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