Zum Kotzen: Regress statt Corona?

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  • Letzter Beitrag 31 März 2020
Dr. Günter Gerhardt schrieb 31 März 2020

KBV und Krankenkassen wollen verschärfte Vorgaben für Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei der Honorarabrechnung vereinbaren.

Ich könnte kotzen, wenn ich das lese. Wir reißen uns den....auf, machen Hausbesuche ohne die richtigen Schutzmasken und ohne Schutzkleidung und in Berlin überlegen die KBV und die Kassen, wie man uns das eventuelle Mehr an Honorar wieder abknüpfen kann und ganz perfide: Auch veranlasste ärztliche Leistngen werden geprüft, auch hier drohen dann Regresse Eigentlich könnte die Antwort nur lauten Praxisschließungen, wenn da nicht das Sckicksal unserer Patienten wäre.

 Lesen Sie unten den Kommentar von Gerd Zimmermann.

Dr. Günter Gerhardt schrieb 31 März 2020

Regress statt Corona?

KBV vereinbart Rahmenempfehlungen für verschärfte Prüfmaßnahmen

Kommentar von Dr. Gerd W. Zimmermann

Kaum vergeht ein Tag ohne schlechte Nachrichten zur Entwicklung der CONVID-19 Pandemie. Damit meine ich weniger die weitere Ausbreitung und steigende Zahl der Erkrankten. KBV und Kassen schaffen es einfach nicht, nachhaltig die Praxen im Kampf gegen das Virus zu unterstützen. Bisher konnte man ihnen zugutehalten, dass auch sie überlastet sind und deshalb Fehler machen. Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Man hat offensichtlich noch genügend Zeit gefunden, neue, verschärfte Vorgaben für Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei der Honorarabrechnung zu vereinbaren. Unsere Selbstverwaltung – so scheint es – bereitet sich schon auf die Zeit nach der Pandemie vor.

Zimmermann: "Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, welche zusätzlichen Belastungen dieser Prüfmechanismus nach sich ziehen wird."
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Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Kassen begründen ihre Aktivitäten mit Vorgaben, die sich aus dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ergeben. Demnach soll die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen im § 106a SGB V neu geregelt werden. Die bisher von Amts wegen vorgesehene Zufälligkeitsprüfung (Stichprobenziehung von mindestens 2 Prozent der Ärzte je Quartal) hat man durch eine Prüfung auf begründeten Antrag ersetzt.

Bisher musste man nur Los-Pech haben, jetzt ist man der Kassenwillkür ausgesetzt!

Die neue Vereinbarung schließt andere Prüfungen, wie insbesondere diejenigen nach Durchschnittswerten oder Plausibilitätsprüfungen nach Zeitvorgaben nicht ein. Die Hauptlast der Prüfungen für die Praxen bleibt unverändert weiter bestehen, zusätzlich können jetzt aber auch noch Prüfungen durchgeführt werden, selbst wenn keine statistische Abweichung zur Vergleichsgruppe vorliegt. Besonders gefährlich: Die Prüfungen beziehen neben der Leistungsabrechnung auch Sachkosten und veranlasste ärztliche Leistungen, insbesondere aufwändige medizinisch-technische Leistungen ein. Anträge auf eine solche Wirtschaftlichkeitsprüfung können dabei nicht nur von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), sondern auch von einzelnen Krankenkasse oder sogar mehreren Krankenkassen gemeinsam bei der (sog. unabhängigen) Prüfungsstelle gestellt werden. Eine solche Prüfung auf Antrag muss dabei als Einzelfallprüfung durchgeführt werden. Die Frage ist: Muss eine solche Ausweitung der existenziellen Bedrohung der Praxen ausgerechnet jetzt erfolgen, wo man eher über finanzielle Stützungsmaßnahmen nachdenkt, um Verluste durch die Pandemie auszugleichen?

Der Prüfaufwand soll fallen, tatsächlich steigt er aber deutlich!

Spätestens an dieser Stelle muss man auch die Kritikfähigkeit der KBV in Zweifel ziehen. Als Hintergrund für die Neuregelung nennt die KBV nämlich den mit der Zufälligkeitsprüfung verbundenen hohen bürokratischen Aufwand bei nur geringem Nutzen. Das ist aber schon rein rechnerisch ein Irrtum! Die Zufälligkeitsprüfungen waren – zwar ebenfalls als Einzelfallprüfungen – auf 2 Prozent der Vertragsärztinnen und -ärzte in einer KV beschränkt und konnten nicht von den Kassen beeinflusst werden. Jetzt ist es Kassen möglich, wahllos solche Prüfmaßnahmen zu beantragen. Selbst eine statistische Abweichung vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe ist als Prüfungsauslöser nicht mehr erforderlich. Es genügt die Darstellung von Sachverhalten am Beispiel einzelner Patienten, die einen Verdacht auf Unwirtschaftlichkeit nahelegen. Schaut man sich die Beispiele für solche Verdachtsmomente an, die in der Rahmenempfehlung aufgezählt werden, kann es einem nur „kalt den Rücken herunterlaufen“ (siehe auch Tabelle)!

Da werden die fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation) genannt, der Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität), der Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmangel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) enthaltenen Vorgaben oder der Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel.

Fazit:

Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, welche zusätzlichen Belastungen dieser Prüfmechanismus nach sich ziehen wird. Künftig wird man losgelöst vom medizinischen Auftrag auf der Grundlage der „Denke“ von Kassenfunktionären genau überlegen müssen, welche Leistungen man an einem Patienten er-bringt oder veranlasst. Insbesondere die Veranlassung dürfte dabei von besonderer Bedeutung sein, denn ein Regress für angeblich unnötig in Auftrag gegebe-ne CT-, MRT- oder Laboruntersuchungen kann teuer werden. Ein wenig Hoffnung bleibt aber! Die Richtlinienkompetenz auf Bundesebene ist im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung weggefallen. KBV und GKV-Spitzenverband haben deshalb nur Rahmenempfehlungen zur Prüfung auf begründeten Antrag im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen (§ 106a Abs. 3 SGB V) vereinbaren können. Die Regional-KVen könnten diese Empfehlungen in ihren jeweiligen Prüfvereinbarungen deutlich abschwächen. Auch könnten sie die Zahl der je Quartal höchstens zu prüfenden Ärzte (deutlich) begrenzen. Mal sehen, welche KV sich hier „kundenfreundlich“ zeigt?

Das sind die Eckpunkte und potentiellen Auswirkungen der neuen Honorar-Prüfmaßnahme auf die vertragsärztlichen Praxen:

 

Regelungen (Auszüge) Gefahren für die Praxen

§1 Anwendungsregelungen

1. Prüfungen nach Durchschnittswerten oder anderer arztbezogener Prüfungsarten sind nicht Bestandteil der Rahmenempfehlungen.

2. Die Rahmenempfehlungen beziehen sich auf selbst erbrachte und veranlasste ärztliche Leistungen.

3. Die Prüfungen können neben dem zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumen einschließlich Sachkosten auch Überweisungen sowie sonstige veranlasste ärztliche Leistungen, insbesondere aufwändige medizinisch-technische Leistungen umfassen. Die Einbeziehung weiterer Leistungen können die Vertragspartner auf Landesebene vereinbaren.

Wer mit einzelnen Leistungen, Leistungsgruppen oder der Gesamtheit seiner Leistungen über dem sog. Fach-gruppenschnitt liegt, muss weiterhin mit Honorarregressen rechnen!

Alternativ oder sogar zusätzlich ist auch eine Einzelfallprüfung möglich, die sich auf einen bestimmten Sachverhalt bezieht.

Denkbar sind Prüfanträge auch bei veranlassten Leistungen, z.B. aus dem Bereich der Radiologie und/oder der Labordiagnostik.

 

§2 Veranlassung und Einleitung

1. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung der ärztlichen Leistungen kann auf Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Prüfungsstelle erfolgen. Eine Prüfung auf Antrag erfolgt im Wege einer Einzelfallprüfung.

2. Eine statistische Abweichung vom Durchschnitt einer Vergleichsgruppe allein reicht für eine Begründung nicht aus. Die Begründung soll konkrete folgende Sachverhalte am Beispiel einzelner Patienten bezeichnen, die einen ausreichenden Verdacht auf Unwirtschaftlichkeit nahelegen

Kassen und/oder KV können solche Kriterien als Prüfanlass nehmen:

• Fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation),

• fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität),

• mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmangel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des G-BA enthaltenen Vorgaben,

• Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel.

 


 

Quelle: Rahmenempfehlungen der KBV und des GKV-Spitzenverbandes gemäß § 106a Abs. 3 Satz 1 SGB V

 

31.03.2020 08:42:30, Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

 

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