Schärfster hessischer Ärzteverfolger Oberstaatsanwalt A. Badle sitzt in U - Haft

  • 3,8K Aufrufe
  • Letzter Beitrag 09 August 2020
Dr. Günter Gerhardt schrieb 09 August 2020

Kaum zu glauben, aber wahr. Der schärfste Ärzteverfolger Hessens Alexander Badle sitzt in U-Haft. 

Er war seit Oktober 2010 Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Franffurt am Main. Dort leitete er seit Oktober 2009 die Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen.

Dr. Günter Gerhardt schrieb 09 August 2020

Oberstaatsanwalt unter Verdacht

Der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt sitzt in Untersuchungshaft. Der Verdacht: Seit 2015 soll er 240 000 Euro eingenommen haben - über eine Methode, die er als Ermittler bekämpfte.

Von Jan Willmroth,

 

Frankfurt Oberstaatsanwalt Alexander B. sprach am liebsten über die großen Fälle, in denen es um Millionen und Milliarden geht. Solche Verfahren sind Alltag für die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt, deren Sprecher B. war. Aufwändige Wirtschaftsstrafsachen wie der CO-Skandal bei der Deutschen Bank wurden dort ermittelt, seit Jahren beschäftigen die millionenschweren Cum-Ex-Geschäfte zulasten des Fiskus die Behörde, das erste Kapitel der Siemens-Korruptionsaffäre war ein Frankfurter Verfahren. Für B., 53, selbst Experte für Korruption und Bestechung im Gesundheitswesen, waren das nicht einfach nur prominente Fälle von hohem öffentlichen Interesse. Er stellte alles in einen größeren, gesellschaftlichen Kontext; Vertrauen in den Staat und seine Behörden, das war ein wichtiges Thema für ihn. Er war Anwalt des Staates im Wortsinne.

Eines ist gewiss: Mit dem Delikt, das ihm vorgeworfen wird, kannte der Mann sich aus

Dieses Vertrauen soll ausgerechnet B. schwer erschüttert haben, und das ausgerechnet in Hessen, dessen Strafverfolgungsbehörden wegen rechtsradikaler Umtriebe in der Polizei ohnehin im Fokus stehen. Am vergangenen Donnerstag ließ die Staatsanwaltschaft Frankfurt B. und einen weiteren Beschuldigten festnehmen, die beiden sitzen in Untersuchungshaft. Die Ermittler werfen B. und seinem mutmaßlichen Komplizen Bestechlichkeit und Bestechung vor. B. soll seit Jahren dafür gesorgt haben, dass immer dieselbe Firma Sachverständige in medizinstrafrechtlichen Verfahren bereitstellte, und er soll an diesen Aufträgen mitverdient haben. Der zweite Beschuldigte ist ein Schulfreund von B. - ihn soll der Oberstaatsanwalt im Jahr 2005 ermutigt haben, die Firma zu gründen.
Allein zwischen 2015 und 2020, teilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt mit, seien 240 000 Euro an sogenannten Kickback-Zahlungen an den Beamten geflossen. Womöglich aber hat er seit 15 Jahren Schwarzgeld kassiert, so der Verdacht, vorbei am Fiskus, unbemerkt von Kollegen; aber diese Fälle wären verjährt. Seine frühere Lebensgefährtin, die selbst im Zusammenhang mit besagter Firma als Gutachterin tätig gewesen sein soll, hat ihn nach SZ-Informationen bereits 2019 angezeigt. Zu derartigen und weiteren Details äußert sich die Staatsanwaltschaft nicht.

Als "Leiter der Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht" weiß B., wie strafbare Kickback-Modelle funktionieren, er begegnete ihnen ständig. Er brachte Apotheker vor Gericht, die doppelt abrechneten, ermittelte gegen Ober- und Chefärzte in Krankenhäusern, enttarnte Krankenfahrdienste, die jahrelang die gesetzlichen Krankenversicherungen betrogen. Jetzt ist B. dringend tatverdächtig, selbst bestechlich gewesen zu sein. Im Haftbefehl ist von Verdunkelungsgefahr die Rede. Der Beamte ist suspendiert, er schweigt bislang zu den Vorwürfen, sein Anwalt lehnte eine Stellungnahme ab.

All das bewegt sich für viele Beobachter und mittelbar Beteiligte weit außerhalb ihrer Vorstellungskraft. B. war der wahrscheinlich bekannteste Staatsanwalt Frankfurts, als Sprecher sehr präsent in der Öffentlichkeit, als leitender Beamter einflussreich. Stets bestens informiert über Vorgänge in allen Abteilungen, bei Gericht und in der Anwaltsszene vernetzt. Er gab sein Wissen anderen Staatsanwälten weiter, seit 15 Jahren dozierte er an der Deutschen Richterakademie. In Fachveröffentlichungen zum Medizinstrafrecht ist sein Name präsent, er gab regelmäßig Interviews zu dem Thema und hielt Vorträge auf Fachkonferenzen. Im Auftreten war B. über jeden Zweifel erhaben, ein idealtypischer Oberstaatsanwalt von einnehmender rhetorischer Gewandtheit. Keine Falte, wo keine sein sollte, die Frisur stets perfekt. B. galt als integer, korrekt, verlässlich, und wusste dieses Bild von sich auch zu pflegen.

Umso größer ist jetzt das Entsetzen, bei Kollegen, unter Weggefährten und weit über die Landesgrenzen hinaus. In hochrangigen Kreisen der hessischen Strafverfolgungsbehörden, wo jeder B. kennt, und viele dies schon lange, spricht man von einer "absoluten Katastrophe". Nicht auch das noch: der Verdacht, Hessen habe seine Justiz nicht im Griff, und die Behörden bemerkten es nicht, wenn sich ein Spitzenbeamter jahrelang bestechen lässt.

Zu den vielen Besonderheiten in diesem Fall gehört allerdings, dass zunächst nichts ungewöhnlich wirkt an den Zusammenhängen. Wohl auch deshalb blieb das Ganze so lang unentdeckt: Aufwendige Verfahren, bei denen größere Datenmengen zu bewältigen sind und es Sachverstand außerhalb der Gesetzbücher und Verfahrensordnungen braucht, kommen ohne Sachverständige nicht aus. Staatsanwälte mögen es, wenn sich Gutachter bewährt haben: Es ist Alltag in Ermittlungsbehörden, dass in ähnlich gelagerten Verfahren jeweils dieselben Firmen beauftragt werden. Je spezieller die zu klärenden Fragen, desto kleiner ist die Auswahl an geeigneten. Und wer kommt schon auf die Idee, dass der Leiter einer Zentralstelle mit der Auftragsvergabe eigene Interessen verfolgt?

Ein Streit, mehrere Strafanzeigen, und die Dinge nahmen ihren Lauf

Das kann eigentlich nur herauskommen, wenn jemand, der Bescheid weiß, es den Beamten verrät. Damit dann wie hier von der Staatsanwaltschaft Frankfurt tatsächlich gegen einen hochrangigen Beamten der fachlich und disziplinarisch vorgesetzten Generalstaatsanwaltschaft ermittelt wird, und damit ein Ermittlungsrichter auch noch den Haftbefehl gegen ebenjenen Beamten bewilligt, braucht es wohl mehr als nur die Strafanzeige einer früheren Lebensgefährtin. Dann müssen sich alle Beteiligten ihrer Sache schon sehr gewiss sein.

Das könnte mit einer zweiten Firma zu tun haben, die bundesweit für Staatsanwaltschaften arbeitet. Spezialgebiet dieser Firma ist unter anderem die Auswertung großer, unstrukturierter Datenmengen, die heutzutage in Wirtschaftsstrafsachen Alltag sind. Wenn es etwa nach einer Razzia in einem Krankenhaus darum geht, Abrechnungen zu untersuchen, dann wertet sie die Daten im Auftrag der Behörden aus. Die Geschäftsführerin dieser Firma leitete von 2005 an auch jene, die einst der Schulfreund von B. gegründet haben soll. Vor einigen Jahren stieg sie aus. Kürzlich war es unter Beschäftigten der Datenanalyse-Firma zum Streit gekommen, mindestens eine Strafanzeige wurde gestellt. Das soll auch B. zu Ohren gekommen sein, er soll sich auffällig für den Fall interessiert haben. So könnte er die Ermittlungen gegen sich beschleunigt haben: Die Lunte war ja bereits in Form der Strafanzeige seiner Ex-Lebensgefährtin von 2019 gelegt.

Close