Eine gelungene Hausarbeit von Julia Mildenberger SS 2016
Ein Tanz auf Messers Schneide- Geheimnis gelüftet oder ein Leben zerstört?
Der Disput zwischen dem Recht auf Privatsphäre und der Macht des öffentlichen Interesses bezüglich der Krankengeschichte.
Eins steht fest: Jeder von uns hat ein Geheimnis!
Ein Geheimnis ist es deshalb, weil man nicht jedem, dem man auf der Straße begegnet, dieses sofort auf die Nase binden will.
Geheimnisse behält man entweder für sich oder man vertraut sie einem ausgesuchten Personenkreis an, von dem man weiß, dass er damit nicht hausieren geht- Menschen, bei denen das Geheimnis sicher verwahrt ist.
Und jetzt stellen Sie sich Folgendes vor: Sie sitzen morgens entspannt bei einer Tasse Kaffee am Frühstückstisch und schlagen die Zeitung auf. Auf der Titelseite prangt in roter, dicker Schrift Ihr persönliches Geheimnis, über das Sie bisher nur mit einem engen Vertrauten gesprochen haben. Dieses steht jetzt aber frei zugänglich, für jedermann les- und einsehbar, mit einem Bild von Ihnen, Ihrem vollständigen Namen und letztlich sogar noch mit Ihrer korrekten Anschrift in der Zeitung.
Ein schreckliches Gefühl, oder?
Man fühlt sich bloßgestellt und denunziert.
Man fühlt sich verletzt und verletzbar. Man hat Sie einer unbekannten Meute schutzlos ausgeliefert und auf einem Silbertablett serviert zum Fraß vorgeworfen.
Man hat Sie angegriffen, als Mensch selbst und in Ihrer Würde.
Man ist in Ihre intime Privatsphäre eingedrungen.
Und was passiert in Ihrem persönlichen Umfeld?
Die Neuigkeit verbreitet sich so schnell wie ein Lauffeuer. Selbst der nette Nachbar von nebenan schaut seitdem nur noch argwöhnisch über den Zaun und grüßt nicht mehr zurück, Ihre Kollegen und Freunde schneiden Sie, tuscheln hinter Ihrem Rücken und beenden ertappt das Gespräch, sobald Sie den Raum betreten. Sie spüren die Blicke, hören das Gerede.
Und das schlimmste daran: Sie sind gegen all dies machtlos.
Der eine wird so agieren, dass er die Situation stillschweigend aussitzt. Er wird solange ausharren, bis der nächste Skandal ins Land kommt, über den sich die Lästermäuler das Maul zerreißen. Dann ist man wie im Handumdrehen wieder vergessen.
Dem anderen wird irgendwann die Hutschnur reißen, sobald der Panzer mit dem Motto „Was interessiert mich die Meinung der anderen über mich“ dem Druck nicht mehr standhält. Er wird versuchen, die anderen zur Rede zu stellen, zu verdeutlichen, wie scheußlich deren Verhalten ist.
Der nächste wird alle Zelte abbrechen und in ein anderes Land oder zumindest in eine andere Stadt ziehen.
Der Übernächste wird versuchen, Schadensbegrenzung zu bertreiben. Schließlich hängt nicht nur er, sondern auch seine Familie mit drin.
Ruhe und ein kühler Kopf würden jetzt helfen, um rational nachdenken zu können- aber wie, wenn man auf Schritt und Tritt beobachtet wird, wenn jede kleinste Verfehlung ausgegraben und auf die Goldwaage gelegt wird, wenn Journalisten und Reporter Ihr Haus und Ihre Arbeitsstelle belagern, wenn Gedanken wie „Wie hat das nur passieren können? Wie hätte ich das nur verhindern können? War ich nicht aufmerksam genug? Was lief falsch?“ in Dauerschleife durch Ihrem Kopf kreisen, wenn andauernd das Telefon klingelt und wenn Ihr E-Mail- Konto und Ihr Briefkasten an Interviewanfragen, Bitten um Stellungsnahmen, beleidigenden Schreiben und Drohbriefen überquellen.
Ein normales, geregeltes Leben ist nicht möglich- es kennt Sie ja schließlich die ganze Welt, dank dem Zeitungsartikel. Sie sind von der Welt abgestempelt, in eine Schublade gesteckt.
Und wer trägt die Schuld an dem allem? Sie? Der „Verräter“? Journalisten? Die sensationsgierige Welt?
Ein furchtbares Horrorszenario, oder? Natürlich war das nur ein theoretisches Gedankenkonstrukt, das worst-case- Szenario. Aber kam Ihnen das nicht irgendwie in abgewandelter Form bekannt vor?
Die Familien und Hinterbliebenen von Robert Enke, Tim Kretschmer, Andreas Lubitz und Henrietta Lacks haben genau dieses Horrorszenario durchlebt.
Robert Enke war ein deutscher Profifußballtorwart, der sich am 10.11.2009 aufgrund von Depressionen das Leben durch einen Schienensuizid nahm.
Tim Kretschmer war ein Amokläufer, der am 11.03.2009 aufgrund einer psychischen Störung in einer Schule in Winnenden und Umgebung 15 Menschen und sich selbst tötete.
Andreas Lubitz war der Copilot, der am 24.03.2015 aufgrund einer Psychose und Depressionen den Airbus A320 der Fluggesellschaft Germanwings in einen Gebirgsabschnitt der Pyrenäen flog und damit 149 Menschen mit in den Tod riss.
Henrietta Lacks war eine schwarzhäutige Amerikanerin, die 1950 an Gebärmutterhalskrebs erkrankte und am 04.10.1951 im Johns Hopkins Hospital in Baltimore in den USA daran verstarb.
Ihr verdanken wir die Hela- Zellen, die erste unsterbliche menschliche Zelllinie. An ihren Zellen hat die Wissenschaft Forschung betrieben und zahlreiche Entdeckungen wie die Replikation von Chromosomen getätigt, auf denen verschiedenste Erkenntnisse der Medizin und der Naturwissenschaft fußen. Ihre Zellen machten es möglich, dass Ärzte heutzutage Patienten mit Medikamenten und speziell erprobten Verfahren behandeln können, da man diese zuvor an ihren Zellen erprobt oder sogar entwickelt hatte.
Als die Öffentlichkeit von diesen Zellen erfuhr, war das Interesse an der Herkunft der Zellen groß. Der öffentliche Druck, dem Henriettas Ärzte und die Klinikleitung ausgesetzt waren, war gewaltig.
Der Menge an Journalisten drängte nach Antworten auf die Identitätsfrage der Frau, getrieben vom Informationswillen und der Sensationsgier der Bevölkerung. Denn laut deren Meinung sollte eine gute Story die Menschen berühren, in ihnen Emotionen wecken, sie zum Nachdenken bringen, aber auch informativ und genau recherchiert sein.
An diesen Vorsätzen ist zunächst nichts Verwerfliches. Wenn wir einmal ehrlich zu uns selbst sind, lesen wir Artikel und Biographien, die unser Informationsbedürfnis stillen, uns mitnehmen und uns etwas Menschliches zeigen natürlich lieber als staubtrockene, langweilige Artikel aus Fachzeitschriften oder rein sachliche Unfallberichte.
Aber wiegt unser öffentliches Informationsbedürfnis jetzt schwerer als die Privatsphäre des Betroffenen, dem unser Interesse gilt?
Der Schutz der Privatsphäre eines Individuums ist durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Artikel 2 des Grundgesetzes als auch im Bundesdatenschutzgesetz festgelegt und klar definiert.
Im Gegensatz dazu ist der Begriff „öffentliches Interesse“ interpretierbar. Das „öffentliche Interesse“ ist ein in Gesetzen häufig verwendeter unbestimmter, nicht weiter konkretisierter Rechtsbegriff, der die Belange des Gemeinwohls über die Individualinteressen stellt.
Die Pressefreiheit, die in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert ist, dient zur uneingeschränkten Informationsbe-schaffung und –verbreitung für und innerhalb der Bevölkerung und bildet die Grundlage für den Anspruch des Interesses der Öffentlichkeit an der Privatsphäre des Individuums.
Da das öffentliche Interesse jedoch nicht generell Vorrang vor den Individualinteressen eines Einzelnen hat, entsteht somit zwischen den beiden Rechten, die jeder Mensch uneingeschränkt besitzt, ein tiefer Graben.
Jospeh Kelly, Leiter der Öffentlichkeits-arbeit des John Hopkins Hospital, Howard Jones und Richard Wesley TeLinde, beide Henriettas behandelnde Ärzte, sowie George Gey, der Leiter des Labors, in dem Henriettas Zellen erstmals kultiviert wurden, befanden den Datenschutz ihrer Patientin als hochrangiger und stellten die Privatsphäre ihrer Patientin über das öffentliche Interesse.
Deshalb gaben sie das Pseudonym Helen Larson anstatt Henriettas richtigen Namen an die Journalisten weiter. So führten die Recherchen der Reporter nach dem Leben der Spenderin zunächst ins Leere und das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit war vorerst gestillt. Bis in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts entgingen Henriettas Nachkommen dadurch dem am Anfang beschriebenen Szenario.
Der Haken an dem Pseudonym selbst war aber, dass so auch Ihre Nachkommen nicht von der Zellentnahme und der Kultivierung der Zellen ihrer Mutter wussten, weil das Klinikum versäumt hatte, ihnen Bescheid zu geben. Daher waren Sie ahnungslos, bis ein Journalist hinter den wahren Namen, der sich hinter dem Pseudonym verbirgt, kam.
Von da an wurde die Familie zur Zielscheibe des öffentlichen Interesses. Es erschienen Artikel über das Leben von ihnen und das ihrer Mutter, sowie private Fotos. Sie durchlebten das Horrorszenario, vor dem sich jeder von uns fürchtet.
2013 sequenzierten Forscher das Genom, also die DNA der Zellen, veröffentlichten es in einen Fachjournal und machten es für jeden Forscher zugänglich. Dies geschah jedoch alles ohne das Einverständnis der Familie!
Diese konnten nun ihr geheimstes biologisches Geheimnis öffentlich in der Zeitung nachlesen -die Wahrscheinlichkeit, an welcher Erbkrankheit sie in welchem Alter erkranken werden, welche genetischen Dispositionen in ihrer DNA vorhanden sein könnten, welche Merkmale sie ausbilden könnten, einfach alles. Es war öffentlich, für jeden einsehbar und unabhängig davon, ob sie jemals die möglichen Erkrankungswahrscheinlichkeiten überhaupt erfahren wollten. Gerade als der Rummel nachgelassen hatte, richtete sich durch diese Veröffentlichung erneut das Interesse auf die Familie und der Spießrutenlauf begann von neuem.
Eine ähnliche Art der Denunzierung und die Veröffentlichung privater Informationen erlebten auch die Familienangehörigen von Robert Enke, Andreas Lubtiz und Tim Kretschmer.
Aber haben die Angehörigen und diese Verstorbenen nicht auch wie Henrietta Lacks und deren Familie das Recht auf Schutz der Privatsphäre, das gewichtiger sein sollte als das Recht der Öffentlichkeit auf Information?
Ja, das haben sie! Denn alle von diesen sind bzw. waren Menschen. Jeder Mensch Grundrechte besitzt, die selbst nach dem Tod nicht erlöschen.
Aber wiegt nicht zumindest bei Andreas Lubitz und Tim Kretschmer das Recht der Öffentlichkeit auf Information schwerer als deren Schutz der Privatsphäre aufgrund ihrer Taten?
Das ist der große Diskussionspunkt.
Im Fall von Andreas Lubitz und Tim Kretschmer entschied der Presserat sich dafür und gewichtete das öffentliche Interesse der Bevölkerung schwerer als den Schutz der Privatsphäre.
Der deutsche Presserat besteht aus Vertretern von Verleger- und Journalistenverbänden, der als Aufgabenbereiche, die Einhaltung des Pressekodexes und die Abwägung zwischen dem Recht auf Schutz der Privatsphäre des Individuums und des Informationsbedürfnisses der Bevölkerung hat.
Diese Entscheidung des Presserates war für deren journalistischen Kollegen der Freifahrtsschein, die Tragödien auszuschlachten und mit persönlichen Informationen zu schmücken, die Hinterbliebenen zu belästigen und weitere Details zu deren Krankengeschichte ans Tageslicht zu zerren. Die Leser dankten es ihnen mit hohen Klickzahlen und Verkaufszahlen der Artikel. Die Masse verschlang regelrecht die Zeilen mit morbider Begeisterung und Gier nach schmutzigen Details.
Die Frage bleibt aber, ob das Recht auf Schutz der Privatsphäre jemals erlöschen kann und inwieweit man dieses gegen das Recht der Bevölkerung auf Informationen aufwiegen oder gar mit selbigen gleichsetzen darf.
Denn als Menschen haben beide das Recht auf Privatsphäre. Denn dieses begründet sich auf dem Recht der Menschenwürde. Das Recht auf Würde erlischt niemals und kann keinem Menschen, auch keinem Toten jemals abgesprochen werden. Es gilt für Schwerverbrecher, Pädophile, genauso wie für Attentäter. Dementsprechend gilt es auch für psychisch kranke Menschen wie Tim Kretschmer und Andreas Lubitz.
Hätte es denn demnach nicht auch gereicht, die Bevölkerung darüber zu informieren, dass beide Täter psychisch krank waren und sich dagegen behandeln ließen? Wäre das nicht der Mittelweg gewesen, um beiden Rechten Genüge zu tun? Wäre das nicht genug Information gewesen, ohne die Leidensgeschichte der Patienten ausbluten zu lassen?
Neben dem vollständigen Informationsgenuss und der Befriedigung, hinreichend aufgeklärt worden zu sein, liegt nach dem Lesen solcher Artikel noch ein bitterer Nachgeschmack auf der Zunge. Er schmeckt nach zerstörten Leben und Lebensträumen.
Genauso bitter ist der dadurch in der Bevölkerung entstandene Eindruck, dass Ärzte zu lange gegenüber Arbeitgebern oder staatlichen Instanzen schweigen würden. Dadurch hätten sie eine Mitschuld an der Katastrophe!
Auf der Suche nach Schuldigen und nach Lösungen zur Prävention solcher Attentate inspizierte die Politik schließlich die ärztliche Schweigepflicht. Manche Politiker befanden danach, dass diese überholt und erweitert werden müsse.
Ärzte unterliegen aber nicht ohne Grund der Schweigepflicht. Die Schweigepflicht ist ein wichtiger Bestandteil der Pflichten eines Arztes und legt den Grundstein für die Vertrauensbasis vom Patienten zum Arzt.
Schon im Eid des Hippokrates, den Heiler in der Antike Folge leisten zu hatten, steht der Grundsatz der Schweigepflicht niedergeschrieben: „Über alles, was ich während oder außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen sehe oder höre und das man nicht nach draußen tragen darf, werde ich schweigen und es geheim halten“
Durch die ärztliche Schweigepflicht ist nämlich die Weitergabe von Information an Dritte strikt verboten. Juristisch fallen heute unter das Verschwiegenheitsgesetz nicht nur Angaben von Krankheitsdiagnosen, – verläufen, Unfallhergang und Therapiemaßnahmen und deren Erfolg, sondern auch der Zeitraum, die Intensität und dasgrundsätzliche Existieren eines Behandlungsverhältnisses zu einem Patienten. Genauso ist über alle anderen Informationen, die der Arzt erfährt, sieht oder wahrnimmt oder die ihm mitgeteilt werden, egal ob diese für die Behandlung relevant sind oder nicht, Schweigen zu bewahren.
Somit ist die Stellung der Rolle eines Arztes als vertrauenswürdige Person per Gesetz klar vordefiniert. Die Zusicherung der Verschwiegenheit bildet die Grundlage für ein offenes und vertrauenswürdiges Gespräch zwischen Arzt und Patient.
Wenn ein psychisch kranker Patient professionelle Hilfe bei Ärzten sucht, kann er darauf vertrauen, dass der Arzt als Teil seines Vertrauenskreises fungiert und Stillschweigen über die ihm anvertrauten Informationen behält. Sein Wille, sich ihm gegenüber vollständig und freiwillig zu offenbaren und anvertrauen zu können ohne mit Denunzierung oder sozialen Einschnitten rechnen zu müssen, gründet sich vor allem auf die Verschwiegenheitspflicht und Kompetenz des Arztes.
Daher ist bzw. kann ein Arzt von seiner Schweigepflicht nur gegenüber bzw. durch die Staatsanwaltschaft, Polizei oder Gericht entbunden werden. Er darf nur Informationen bei ausdrücklichem Einverständnis des Patienten, bei Gefahr für Leib und Leben des Patienten, Planung einer Straftat oder bei konkludentem Einverständnis weitergeben. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist er gesetzlich zum Schweigen verpflichtet. Sollte er gegen dieses Gesetz verstoßen, kann er rechtlich dafür belangt werden.
Die Konsequenzen, die sich durch eine Einengung der ärztlichen Schweigepflicht ergeben würden, wären verheerend.
Ein aufrichtiges, vertrauensvolles und offenes Gespräch zwischen Arzt und Patient, geschweige denn eine unvoreingenommene Arzt-Patienten-Beziehung wäre nicht mehr möglich und realistisch. So sieht dies auch der Präsident der Piloten-Gewerkschaft, Ilja Schulz in Bezug auf den durch Andreas Lubitz herbeigeführten Flugzeugabsturz: "Wenn mein Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist, werde ich ihm gegenüber kein Problem ansprechen, weil immer die Angst vorm Fluglizenzentzug mitschwingt. Besteht die Schweigepflicht, kann der Arzt dagegen echte Hilfe anbieten."
Es ist meistens für Betroffene schon schwer genug, den Schritt in eine Arztpraxis zu wagen. Sollte aber die Schweigepflicht eingeengt werden, wird es für diese fast unmöglich.
Nach dem Gesetzesentwurf und nach den Forderungen aus der Politik müsste der Arzt dem Arbeitgeber seines Patienten den Grund für die Arbeitsunfähigkeit nennen und diesen informieren, wenn jener zu einer potentiellen Gefahr für seine Mitmenschen jemals werden könnte. Die Auswirkungen einer solchen Benachrichtigung wären für den Patienten demnach weder einschätzbar, noch kontrollier- oder hinnehmbar. Im schlimmsten Fall wäre der Verlust der Arbeitsstelle und soziale Stigmatisierung die Folge.
Deshalb lehnt auch der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) dies in einer Erklärung am 31.03.2015 ab: "Man kann behandelnden Ärzten auch aus haftungsrechtlichen Gründen nicht empfehlen, sich als Informanten von Arbeitgebern und Behörden zur Verfügung zu stellen."
Warum psychisch kranke Menschen sich aber hilfe- und ratsuchend an Ärzte wenden, ist, dass sie darauf vertrauen können, dass ihr Arbeitgeber nicht über den Grund des Hilfegesuches benachrichtigt wird. So ist für sie trotz selbsteingestandener Krankheit ein normales Leben ohne Stigmatisierungen weiterhin möglich.
Mit einer Lockerung der Schweigepflicht würde sich in jedem Falle die Dunkelziffer an psychisch Leidenden stark erhöhen und die Anzahl an behandlungswilligen psychisch Kranken aus Angst stark sinken. Vielleicht würde eine Verschiebung zu anderen Berufsgruppen, die noch der „vollständigen“ Schweigepflicht unterliegen wie religiöse Seelsorger stattfinden. Ob diese Berufsgruppen die Gefahr richtig einschätzen und den Betroffenen adäquat helfen können, ist fraglich.
Auch eine erneute Erweiterung des Vertrauenskreises zum Beispiel um Krankenkassen und Rentenversicherung wäre dadurch in deutliche Nähe gerückt und denkbar.
Letztendlich bleibt aber zu sagen, dass auch Ärzte keine Halbgötter in weiß sind. Auch Ärzte machen Fehler.
Auch Ärzte geben falsche Einschätzungen ab, weil es keinen Prototypen eines psychisch kranken Menschen gibt.
Aber sie sind genau wie Psychologen geschultes Personal, was Hilfe bieten und Gefahren verhindern kann.
Natürlich bleibt immer ein Restrisiko, denn Menschen sind unberechenbar. Gedankenlesen kann keiner. Denn nicht umsonst heißt es in einem Lied: „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten.“
Aber die Einengung der Schweigepflicht der Ärzte und die damit verbundene Entziehung der Vertrauensbasis zwischen Patient und Arzt ist ein Schritt in die falsche Richtung, um solche Katastrophen wie den Flugzeugabsturz oder den Amoklauf von Winnenden zu verhindern.