Die elektronische Gesundheitsakte (z.B. vivy) ist ein Angebot z.B. der Kassen an ihre Mitglieder.
Bitte nicht verwechseln mit der elektronischen Patientenakte
Die elektronische Gesundheitsakte (z.B. vivy) ist ein Angebot z.B. der Kassen an ihre Mitglieder.
Bitte nicht verwechseln mit der elektronischen Patientenakte
Vivy & Co.
Die Anbieter elektronischer Gesundheitsakten erhöhen den Druck auf niedergelassene Ärzte, den Patienten ihre Gesundheitsdaten zur Verfügung zu stellen. Die KBV kritisiert: Die Finanzierung des ärztlichen Aufwands sei „nicht geklärt und mehr als unbefriedigend“.
Vor einer Woche startete die digitale Gesundheitsakte Vivy – unter Federführung des Privatversicherers Allianz. Die Anwendung verspricht den Nutzern, jederzeit ihre persönlichen Gesundheitsdaten zur Hand zu haben. Dabei sind die Anbieter der Akten auf die Mithilfe der niedergelassenen Ärzte angewiesen. Sie sollen den Patienten ihre Befunde, Arztbriefe oder Labordaten zur Verfügung stellen, so das Kalkül von Vivy & Co.
In einem ausführlichen Infoschreiben klärt die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Niedergelassenen auf: „Kommt ein Patient mit einer Vivy-Gesundheitsakte zu einem anderen mit- oder weiterbehandelnden Arzt, besteht keine Verpflichtung, diese zum Teil umfangreichen Daten auszuwerten oder zu nutzen. Die elektronische Gesundheitsakte nach § 68 SGB V dient allein dem Informationsrecht des Patienten“, heißt es in dem Schreiben von KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel.
Die KBV weist auch auf die Datenschutzerklärung der Vivy-App hin. Diese ist zuletzt auch von Datenschützern kritisiert worden. Demnach nutzt Vivy „verschiedene Dienste (auch in den USA), die Daten zu unterschiedlichen Zwecken, zum Beispiel Werbung und Benutzerunterstützung, verarbeiten“, warnt die KBV. Inwieweit auch Daten der Arztpraxis an Dritte weitergegeben werden, sei aus der Datenschutzerklärung und den Begleitunterlagen nicht ersichtlich.
Nach Beschwerde von Ärzten: Vivy kriegt Besuch von Datenschutzbeauftragter
Wegen dieser Datenschutzbedenken soll die Berliner Datenschutzbeauftragte am Montag eine Vor-Ort-Kontrolle bei Vivy durchgeführt haben, berichtet das Online-Portal „heise.de“. Anlass seien auch Beschwerden von Ärzten gewesen, die von der App aufgefordert worden waren, Patientendaten freizugeben. Die Datenschutzaufsicht rate den Ärzten, sich bis zum Abschluss der Untersuchung jeweils zu vergewissern, dass die Anfragen tatsächlich von ihren Patienten angestoßen wurden.
Vivy hatte nach der Kritik von Datenschützern am Wochenende seine Datenschutzerklärung aktualisiert. Demnach gibt es nun eine Datenschutzerklärung für die eigene Website und eine andere speziell für die App, berichtet „heise.de“. In der Datenschutzerklärung seien die von den Datenschützern monierten Tracker Mixpanel und Crashlytics aufgeführt, die Tracker von Branch.io und Google seien dagegen anscheinend abgeschaltet worden.
Auch werde der Kunde darüber informiert, dass die Daten auf Servern von Amazon Web Services gespeichert werden, die in Frankfurt am Main stehen. Die 2-Faktor-Authentifizierung mittels SMS erfolge über das US-Unternehmen Twilio mit Sitz in San Francisco.
Gesundheitsakten unterliegen keinen strengen Zulassungsverfahren
Ärzte sollten im Hinterkopf behalten, heißt es im Schreiben der KBV weiter, dass es sich bei Anwendungen wie Vivy um elektronische Gesundheitsakten handelt, die Krankenkassen ihren Versicherten anbieten. Diese seien nicht gleichzusetzen mit elektronischen Patientenakten. Für Letztere gelten besonders hohe Sicherheitsanforderungen, sie müssen von der Gematik zugelassen werden. „Für Gesundheitsakten wie Vivy gelten diese strengen Zulassungsverfahren nicht“, schreibt KBV-Vorstandsmitglied Kriedel.
Zwar hätten Patienten Anspruch auf Kopien ihrer Patientenakte. Ihnen sei auf Verlangen „unverzüglich“ Einsicht in die vollständige Patientenakte zu gewähren. So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch. Auch nach der Datenschutz-Grundverordnung bestehe ein Anspruch auf Auskunft. „Die Art der Zurverfügungstellung von Daten können aber die Ärzte bestimmen“, betont Kriedel. So könne es aus Zeitgründen sinnvoll sein, auf eine Kopie zu verweisen.
Auch datenschutzrechtliche Bedenken spielten eine Rolle. Ärzte, die sich für Vivy entscheiden, sollten Folgendes beachten: Sie benötigen von ihren Patienten „eine Einverständniserklärung/Schweigepflichtentbindung“, dass sie angeforderte Dokumente per Web-Upload an Vivy senden dürfen.
Das Bereitstellen von Kopien oder elektronischen Ausdrucken von Arztbriefen, Befunden oder Labordaten sei allerdings keine Leistung der vertragsärztlichen Versorgung – eine Abrechnung und Vergütung über den EBM also nicht möglich. Ärzte sollten sich bei den Kosten für Kopien und Ausdrucke am Gerichtskostengesetz orientieren. Danach seien 50 Cent je Dokument angemessen.
Arzt muss Kosten selber tragen
„Die Finanzierung des ärztlichen Aufwands bei der Nutzung von elektronischen Gesundheitsakten ist zurzeit generell nicht geklärt und mehr als unbefriedigend“, schreibt Kriedel weiter. Die KBV werde zur Vergütung über die GOÄ die Bundesärztekammer kontaktieren.
Kriedel: „Es gibt derzeit keine gesetzliche Vorgabe oder Vereinbarung, dass die Krankenkassen die Kosten für die Integration von Gesundheitsakten in die Praxisverwaltungssysteme tragen müssen. Nach jetzigem Stand müsste der Arzt die Kosten selbst tragen oder in Absprache mit der Krankenkasse des Patienten die Kostenerstattung klären.“ Anders sei das bei der elektronischen Patientenakte, die ab 2021 jedem Patienten zur Verfügung stehen soll: Hier stehe die KBV in Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband.
25.09.2018 15:31:24, Autor: mm
ePatientenakten
Ein zentrales Thema der Digitalisierung des Gesundheitswesens ist die Hoheit über die Patientendaten. Wer soll sie haben? Der Arzt? Der Patient? Oder beide? Ärzte und Krankenkassen sind sich uneinig. Und was meint die Politik? Geht die digitale Revolution im deutschen Gesundheitswesen von den Patienten aus? Bei einem Diskussionsforum im Rahmen der diesjährigen Medizinfachmesse MEDICA haben sich Vertreter von Ärzten, Kassen und Politik mit dieser Frage beschäftigt.
„Wir sind im AOK-System nicht nur dabei, eine eigene Akte aufzubauen, sondern wir möchten vernetzen und dem Patienten, die Möglichkeit geben, seine Daten einzubringen“, betonte Heike Nowotnik. „Wir möchten die Telematik-Infrastruktur (TI) nutzen, aber auch die dezentralen Strukturen in Praxisnetzen und Unikliniken. Die wollen wir miteinander vernetzten“, so die Geschäftsbereichsleiterin DV-Steuerung beim AOK-Bundesverband weiter. Ziel der im Oktober 2017 eingeführten elektronischen Gesundheitsakte (eGA) sei es, Versorgungsrelevanz zu schaffen, um Fehlmedikationen zu vermeiden, die Zahl der Mehrfachuntersuchungen zu verringern und administrative Prozesse zu vereinfachen. „Der Patient ist der Herr seiner Daten. Er will wissen, welche Daten über ihn im Umlauf sind.“ Daher entscheide er auch, welche Daten er für welchen seiner behandelnden Ärzte freigibt. Zusätzlich könne er Vitaldaten in die Akte eintragen und sein Befinden mitteilen. Behandelnde Ärzte könnten dadurch beurteilen, ob eine Televisite ausreicht oder ein Hausbesuch nötig ist.
Ähnlich ist das auch mit der eGA der Techniker Krankenkasse (TK), die den Namen „TK-Safe“ trägt. „Die Akte des Versicherten soll von Anfang an gefüllt sein. Daher kommen Sozialdaten seiner Krankenkasse hinein“, schilderte Klaus Rupp. Im zweiten Schritt stellten die Leistungserbringer ihre Daten ein. „Aber der Patient soll auch eigene Daten einstellen können, etwa die von Fitness-Trackern“, so der Leiter des Fachbereichs Versorgungsmanagement weiter. Daraus entstehe eine Datentransparenz in chronologischer Reihenfolge. Denn TK-Safe sei eine lebenslange Akte.
Versicherter ist alleiniger Souverän seiner Daten
Alleiniger Souverän seiner Daten sei der Versicherte. Mehr als 60.000 von ihnen nutzen Rupp zufolge die Akte, die im April gestartet ist. Trotzdem sieht er die eGA, die inzwischen immer mehr Krankenkassen anbieten, mit Skepsis. „Wir sehen als es wichtig an, dass wir am Ende eine Akte haben und dass es das Wirrwarr nicht mehr gibt. Ich bin froh, dass wir auf ein einheitliches Modell hinauslaufen.“
Jetzt schon krankenkassenübergreifend ist „Vivy“, die am 17. September dieses Jahres gestartet ist und mehr sein will als eine reine eGA. „Vivy ist eine Gesundheitsassistentin“, betonte Christian Rebernik. „Die Daten alleine bringen nicht viel, denn es ist eine gewisse Unterstützung nötig, damit der Versicherte mit den Daten etwas anfangen kann“, so der CEO der Vivy GmbH mit Sitz in Berlin. Der Versicherte habe die Hoheit über seine Akte, in die „jeder Arzt in Deutschland Daten einstellen kann“. Gespeichert seien die Daten in zertifizierten Rechenzentren in Frankfurt am Main, Vivy als Betreiber der Gesundheitsassistentin habe keinen Zugriff darauf. Die TÜV-geprüfte App stellen 14 gesetzliche und zwei private Krankenkassen ihren Versicherten zur Verfügung. Dadurch können insgesamt 13,5 Millionen Versicherte erreicht werden.
Datensammlung beim Patienten verbessert Versorgung nicht
„Das Recht auf seine Befunde hat der Patient auch heute schon uneingeschränkt“, betonte Dr. Stephan Hofmeister. Mit der elektronischen Akte verändere sich lediglich die Verfügbarkeit und die Änderbarkeit der Daten. Nach Ansicht des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ist es gut, dass die Patienten ihre Daten in elektronischer Form bekommen und einen Zugriff darauf haben, denn das könne bei ihnen ein gesundheitsbewusstes Verhalten auslösen. „Wir sollten uns davon aber nicht die große Revolution im Gesundheitswesen erhoffen.“
Die Ansammlung von Daten beim Patienten werde die Versorgung nicht verbessern, ist Hofmeister überzeugt. Außerdem seien diese Daten nicht sicher. „Jeder Arzt, der Zugriff auf ein in der Gesundheitsakte abgespeichertes EKG hat, muss sicher sein können, dass es sich genau um dieses eine EKG handelt, das zum angegebenen Datum genauso angefertigt wurde.“ Zusätzlich müssten die Akten interoperabel sein. „Das Ganze ist ein No-Go, wenn der Arzt oder der Psychotherapeut mit dem Patienten erst mal verhandeln muss, welche Akte er hat. Das ist dem Arzt heute nicht zumutbar.“ Um derartige Situationen mit der geplanten elektronischen Patientenakte (ePA) zu vermeiden, fordere die KBV die Hoheit, um künftig die Formate für die medizinischen Inhalte und die technischen Spezifikationen für den Datenaustausch mit der ePA festzulegen. „Was der Patient mit seinen Daten in der elektronischen Gesundheitsakte macht, ist einzig und allein das Recht des Patienten.“ Die ePA sei aber eine Arzt-geführte Akte. „Und die geht nur den Arzt etwas an“, stellte Hofmeister klar. Zwischen der eGA und der ePA sollte es seiner Ansicht nach die elektronische Fallakte (eFA) geben, die alle Daten enthält, die für eine bestimmte Behandlung nötig sind. Sie müsse zwingend arztgeführt sein. „Wenn ein Patient sagt, er will psychiatrische Medikamente nicht drin haben, dann wäre das ganz gefährlich für den Patienten.“
„Akte muss Patient und Arzt Lust bereiten“
Eine Lösung, wie dieser Zwiespalt zwischen patientengeführter eGA und arztgeführter eFA und ePA zu überwinden ist, hat Christian Klose nicht. „Wir haben uns angesehen, wie die Situation international ist, ob es ein vergleichbares Produkt gibt“, schilderte der stellvertretende Leiter der Abteilung „Digitalisierung und Innovation“ im Bundesministerium für Gesundheit. Man habe aber keins gefunden. Deutschland sei auf diesem Gebiet „sehr innovativ“. „Wenn jetzt nur der Erfolg stimmen würde, dann wären wir gut.“ Den Schlüssel zum Erfolg sieht Klose in der Austauschbarkeit der Daten in den verschiedenen Systemen. „Wir müssen daher jetzt über Standards reden: technische, organisatorische und semantische.“
Entscheidend ist für ihn aber auch, „dass wir nicht nur Spezifikation haben, wir müssen durch Akten Mehrwerte schaffen.“ Die ePA müsse den Nutzer in den Mittelpunkt stellen und dabei „Patient und Arzt Lust bereiten“. „Nur dann wird sie eingesetzt“, ist Klose überzeugt. „Wir wollen keinen elektronischen Leitz-Ordner, der nur Daten sammelt.“ Mit dem vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) sei erreicht worden, dass die Kassen mit den elektronischen Akten „Mehrwertleistungen auf den Weg bringen können“. Für die Patienten müsse der Zugang zu den Daten ähnlich leicht sein wie an einem Bankschalter. „Wir wollen Strukturen aufbauen, dass Behandlungsdaten aus Krankenhäusern und Arztpraxen in die Akte überführt werden können.“ Und bei einem Krankenkassenwechsel müssten die Daten vom Aktensystem A zu Aktensystem B „diskriminierungsfrei übertragbar sein“.
Problem des Datenaustauschs lösen
Klose kündigte an, dass man sich intensiv mit der Interoperabilität auseinandersetzen werde. „Wir müssen gewährleisten, dass die Daten austauschbar sind. Sie müssen ohne Mehraufwand für Leistungserbringer und den Versicherten nutzbar sein.“ Demgegenüber ist Hofmeister skeptisch, dass sich schnell eine Lösung findet. „Es gibt ganz viele Standards, aber keinen, der sagt, es gibt einen gemeinsamen.“ Die Industrie wolle sie belassen, weil sie ein Abgrenzungsmerkmal der einzelnen Krankenhausinformations- und Praxisverwaltungssysteme sei. „Aber ich glaube, dass wir dennoch auf einem guten Weg sind“, so der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende mit Blick auf den zwischen KBV, Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung verabschiedeten Letter-Of-Intent“. Das sah Klaus Rupp von der TK ähnlich. „Es gibt einen Weg, aber der muss jetzt aktiv beschritten werden.“ Er riet allen Beteiligten, „nicht immer vom Ende her alles fertig zu denken, sondern wir müssen auch einfach mal anfangen“.