...auch ich möchte im Folgenden meine Erfahrungen und Erlebnisse mit einem Teilstudienplatz erläutern....
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen mich fragend anschauten wenn ich meine Geschichte berichtete. Auch ich habe eine mittleres 2er Abitur in Niedersachsen geschrieben und bereits in Göttingen bis zum Physikum studiert. Seit März 2017 warte ich nun auf eine Fortsetzung des Studiums...
Kurz um, ich hatte auch einen Teilstudienplatz in Göttingen! Der Außenstehende könnte zwar von Einzelschicksalen sprechen, aber ich bin der Meinung, dass auch die Gesellschaft im Großen und Ganzen unter dieser Situation mehr leidet als gedacht -Stichwort: Ärztemangel!
Im folgenden lesen Sie den "Teufelskreis des deutschen Gesundheitssystem":
"Ihr wartet auf den Notarzt, wir auf einen Medizintudienplatz - ein Teufelskreis des deutschen Gesundheitssystems!"
„Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. [...]“
So besagt es der 12. Artikel des deutschen Grundgesetzes. Was ist nun, wenn sich ein Schüler in der Oberstufe mit Noten im 2er Bereich dazu entscheidet Arzt zu werden? Im Normalfall wird er schief angeschaut und es fallen Sätze wie „dafür wird dein Abiturdurchschitt aber nicht reichen...“, oder „da wirst du aber warten müssen, willst du vorher eine Ausbildung machen?“ Der Durchschnittsschüler wird nach Sichtung der Zulassungskriterien an den deutschen Hochschulen seinen Berufswunsch nochmal überdenken müssen. Es sei denn, der Schüler hat finanziell durch die Eltern die Möglichkeit abertausend Studienplatzklagen durchzuführen oder sich für ein teures Studium im Ausland zu entscheiden. Was bleibt denen die weder ein „Einser-Abi“ oder einen guten finanziellen Backround haben? Die müssen warten, warten und warten und immer noch warten. Was macht man in dieser Wartezeit, - was schon als normal gilt- man beginnt mit einer der Ausbildungen, die die Vergabestelle für Studienplätze (ZVS/ hochschulstart.de), auf ihrer Homepage als Bonus auf die Abiturnote beschreibt. Notfallsanitäter/-in, Kranken- oder Altenpflege/-in, MFA, MTA, OTA, RTA... Die Liste ist lang, aber die Aussicht auf einen Beruf den man nur wählt, weil man mal Ärztin oder Arzt werden will, ist wenig erfreulich.
Man sucht sich nun also eine Ausbildung aus, die am wenigsten „weh tut“, und beteuert bei den Bewerbungsgesprächen es wäre der Traumberuf und trotz Abitur möchte man nicht mehr Medizin studieren. Ein ziemlich schlechter Berufsanfang der sich dort auf eine Lüge aufbaut. Sollte man sich dann Auszubildende oder Auszubildender nennen dürfen, kann man natürlich das Gelernte bereits für das spätere Studium gut gebrauchen, aber es bleibt trotzdem bei den halbjährlichen Bewerbungen bei der ZVS und dem Hoffen bald doch ein Student zu sein. Klappt das auch weiterhin nicht, bleibt eine abgeschlossene Ausbildung. Was natürlich erstmal nicht schlecht klingt, aber es ist nicht der Beruf den man eigentlich machen möchte und wer wirklich Ärztin oder Arzt werden will, wird sich auch nach 3 Jahren Ausbildung nicht davon abbringen lassen. Fragt man mal einen Maler der seinen Job gerne macht, ob er auch Tischler geworden wäre...-wohl eher nicht.
Die Ausbildungsstätte bezahlt nun also einen Angestellten, um Ihn in dem Berufsfeld auszubilden (und wie man weiß sind Auszubildende nicht günstig) und dieser will gar nicht in diesem Beruf sein Leben tätig bleiben und wird schnellstmöglich den Weg zur Uni gehen. Es entstehen also fertige Auszubildende die nicht oder nur für eine gewisse Zeit in dem Beruf bleiben.. dieses bedingt offene Stellen u.a. im Pflegedienst, dadurch überlastete Arbeitskräfte und nur kurze Pflegezeiten für den Patienten. Zusammenfassend, ein Fachkräftemangel in der Pflege den sich das Gesundheitssystem mit den Worten „Bonus auf die Abiturnote für eine abgeschlossene Ausbildung“ selbständig herbeiführt.
Bleiben wir bei dem Durchschnittsschüler der mit einem zweier Abitur seine Ausbildung nun als Bonus angerechnet bekommt: Bonus, heißt nicht, man darf jetzt sofort studieren...nein, Bonus bedeutet die Abiturnote wird je nach Universität um max. 0,2 verbessert. Gehen wir mal davon aus der Schüler hätte eine Abiturnote von 2,6 und verbessert sich nun auf 2,4 wie soll er dann einen Bonus haben, wenn die Universitäten auch im eigenen Auswahlverfahren nur Bewerber bis max. 1,4 überhaupt zum Gespräch einladen? Es bleibt dem Schüler nur das Warten übrig, bis seine Wartesemester (14 Semester momentan) „voll“ sind, trotz Ausbildung. Nun arbeitet er noch weitere 3 bis 3,5 Jahre in dem Ausbildungsberuf, und schwups ist er ja plötzlich schon 6-7 Jahre älter als nach dem Abitur.
Wenn nach 6 Jahren Durchhaltevermöge, Tränen, Hass auf das System und den ewigen Warteschlangen bei der kostenpflichtigen Hotline der ZVS (bei der die Mitarbeiter selber nicht wissen wie es funktioniert), dann endlich der Zulassungsbescheid ins Emailfach flattert, hat man mit Mitte/Ende 20 schon das Gefühl man wäre Ärztin oder Arzt. Das jetzt 6 Jahre Studium und mindestens 4 Jahre Facharzt Ausbildung folgen wird zu der Zeit noch nicht überblickt. Erst wenn man mitten im Studium mit knapp 30 Jahren sieht, wie die alten Schulfreunde heiraten, Kinder bekommen und bereits Geld verdienen und man selbst mit 23-jährigen (was an dieser Stelle nicht abwerten klingen soll), in der Universitätsmensa sitzt und weiß, dass es bis zum Monatsende nur noch Nudeln mit Tomatensoße gibt, weiß man dass man eigentlich schon wo anders sein sollte.
Nun gibt es den ein oder anderen der trotz nur mittelmäßiger Abiturnote das „Glück“ hat durch Zufall einen TEIL-Studienplatz zu erhalten. Ein Studienplatz im Fach Humanmedizin, welcher dem Studenten ermöglicht bis zum Physikum (nach 4 Semestern Studium, auch vorklinischer Abschnitt genannt), zu studieren. Der Student kann sich aber nicht sicher sein, dass er danach ohne Unterbrechung an der gleichen Universität weiter studieren kann. Diese Plätze gibt es in Deutschland nur, da im vorklinischen Abschnitt in den Laboren und Vorlesungen mehr Studenten Platz finden können, als im klinischen Abschnitt, in dem die Studentenzahl anhand der Bettenzahl im Universitätsklinikum berechnet werden. Da die Universität für jeden Studenten Geld vom deutschen Staat bekommt, belegt er natürlich alle freien Plätze mit Studenten, egal ob man ihnen nur ein beschränktes Studium ermöglichen kann. Einziger Vorteil des Teil-Studenten: Er kann sich direkt bei den Universitäten in Deutschland auf ein höheres Fachsemester bewerben und so die ZVS umgehen, bei der man mit einem 2er Abiturschnitt sowieso direkt abgelehnt wird, und das Studium zählt als Wartesemesterzeit. Nachteil: jedes Semester wieder ein Bewerbungsverfahren mitmachen, Beglaubigungen erstellen lassen, Porto zahlen und an JEDER Universität einzeln nach den benötigten Unterlagen und dem Bewerbungszeitraum schauen.
Auch ich hatte das „Glück“ einen solchen Platz zu bekommen und habe sofort meine Ausbildung an den Nagel gehängt und bin innerhalb von 2 Tagen in den Studienort gezogen. Den vorklinischen Abschnitt absolvierte ich mit einem guten Physikum, jedoch wegen Aufnahme einer Doktorarbeit in 5 anstatt 4 Semester, was mir heute zum Verhängnis wird. Seit über einem Jahr warte ich nun auf einen weiterführenden Studienplatz, geplagt davon, dass ich bei manchen Universitäten keine Bewerbung durchführen kann, da ich ein Semester aus der Regelstudienzeit bin, obwohl ich ja, wie viele andere ein Semester für meine Doktorarbeit benötigt habe.
Wenn das nicht alles schon steinig genug wäre, verteilen die Universitäten (bis auf einzelne) die Studienplätze zum zweiten Abschnitt des Studiums, nicht nach der Note des Physikums, sondern nach der Abiturnote, d.h. mit einem mittleren 2er Abiturschnitt ist auch dort die Aufnahme utopisch. Da fragt man sich doch was das Ganze soll, ein Bachelorstudenten bewirbt sich doch auch mit seinem Bachelorzeugnis für den Master und nicht mit dem Abiturdurchschnitt?! Man bleibt also auch dort auf der Strecke und auf Nachfragen im Dekanat kann einem keiner Tipps geben oder über Chancen sprechen –irgendeiner muss doch die Zulassung an den Universitäten durchführen und wissen wonach es wirklich geht?
Ich kann in diesem Fall nur von mir sprechen, aber ich denke, es wird vielen in ähnlichen Situationen auch so ergehen: Diese Situation macht einen fertig! Man fragt sich wofür man das alles gelernt hat in den 2 Jahren, wenn man nicht weitermachen darf, man muss sich einen Job suchen um den Lebensunterhalt zu verdienen, Bafög fällt natürlich weg und auch ist es schwierig von den Eltern weiter Geld zu verlangen, wenn man nicht mehr studiert. Und in der schlimmsten Situation denkt man darüber nach etwas Anderes zu studieren.
Ich stand an diesem Punkt!
Ich wollte immer Landärztin werden, als Hausarzt Patienten betreuen, nicht nur den Körper heilen, sondern auch für die ältere Gesellschaft in ländlichen Regionen da sein. Ich habe mich bereits entschieden in unterversorgte Gebiete zu gehen, auch stand ich Bereits in Kontakt mit dem Ansprechpartner für landärztliche Niederlassung. Aber trotz weitverbreiteten Ärztemangel auf dem Land lässt man Studenten die es wirklich wollen nicht studieren.
Als ich über einen Abbruch der Warterei und ein anderes Studium nachdachte, informierte ich mich über die Kosten des Staats für mein Studium. Dort las ich eine Summe von rund 180.000€ für das gesamte Studium, in meinem Fall also schon ca. 60.000€. Da fragt man sich wieso man Studenten die schon zu einem Drittel fertig sind und in 4 Jahren bereits in Praxen als Assistenzarzt tätig werden könnten, nicht das Studium beenden lassen, sondern möglicherweise 60.000€ einfach so verpuffen lassen, wenn der Student dem weiteren Studium irgendwann den Rücken zukehrt...
#lasstunsarztwerden