#lasstunsarztwerden mehr als 2000 Aufrufe (15.11.2018)

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Dr. Günter Gerhardt schrieb 15 April 2018

Jetzt haben wir - Stand 15.11.2018  mehr als 2000 Aufrufe. Diese, ich vermute mal "Wartenden", müssten regelmäßig auf dem neuesten Stand unserer Aktivitäten gehalten werden. 

Bitte erzählt Eure (Kurz-)Geschichte hier auf diesem Portal. Jeweils immer ein neuer Kommentar.
Die Betroffenheit v.a. der Bevölkerung - auch in Bayern, Landtagswahl ! -  kann gar nicht groß genug werden. Die Politik verprellt mit ihrer Untätigkeit viele, sehr viele junge Menschen, die Ärztin/ Arzt werden wollen. Alle Beteiligten reiben sich verwundert die Augen welche Summen Deutschland für was auch immer ausgeben kann, nur nicht für den ärztlichen Nachwuchs.

Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts !

 

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Dr. Günter Gerhardt schrieb 15 April 2018

#lasstunsarztwerden

Der Ärztemangel (besser der Mangel an ärztlicher Leistung) in Deutschland nimmt kontinuierlich zu. 2017 nahmen 172 647 Ärzte und Psychotherapeuten an der vertragsärztlichen Versorgung teil, fast 3000 mehr als noch ein Jahr zuvor. Bei der Betrachtung des tatsächlichen Teilnahmeumfangs an der Versorgung ist das aber nur ein Plus von 0,2%! Der Grund dafür ist u.a. ein anhaltender Trend zur Teilzeittätigkeit.
Ärztemangel darf also nicht nur mit der Zahl der Medizinerinnen und Mediziner erklärt werden, sondern zum einen mit dem Teilnahmeumfang an der Versorgung und zum anderen mit den Bedarfen einer immer älter werdenden multimorbiden Bevölkerung und auch dem medizinischen Fortschritt.
Dringend notwendige Reformen müssen angegangen werden: Masterplan Medizinstudium 2020, Förderung der hausärztlichen Versorgung, Abbau von Bürokratie und auch Regressangst, was nichts Anderes bedeutet, als dem ärztlichen Nachwuchs die Angst zu nehmen, die Kosten für eine notwendige Therapie – so wie gelernt – als niedergelassene Ärztin/ Arzt selbst durch Abzug vom Honorar bezahlen zu müssen.
Seit Jahren wird über das Problem Ärztemangel viel geredet, aber nur wenig gehandelt:
Die Forderung nach mindestens 20% mehr Studienplätzen ist mittlerweile auch schon alt, es tut sich nichts.
Die Bundesländer wollen die Zulassung zum Medizinstudium per Staatsvertrag ändern. Eine Länder-Arbeitsgruppe „Staatsvertrag Hochschulzulassung“ will (Stand Februar 2018) einen Bericht mit Vorschlägen zum weiteren Verfahren und zu Handlungsoptionen vorlegen, Entscheidungen sind nicht geplant.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am 19. Dezember 2017 entschieden, dass das Verfahren zur Vergabe von Medizin-Studienplätzen teils verfassungswidrig ist und bis Ende 2019 neu geregelt werden muss. Hubertus Heil (SPD): „Die Abiturnote bleibt ein wichtiges Indiz, aber in Zukunft muss das individuelle Talent und auch eine passende Vorbildung wichtiger werden.“
Zur Situation:
Zum Wintersemester 17/18 standen knapp 9200 Medizin-Studienplätzen fast 43200 Bewerber gegenüber. Ein Fünftel der Plätze wird an Bewerber mit der Abinote 1,0 bis 1,2 vergeben, ein Fünftel wird nach Wartezeit vergeben – 14 bis 15 Semester. Die übrigen 60% der Plätze können Hochschulen in einem eigenen Auswahlverfahren vergeben (= Blackbox). Eine Besonderheit ist der sog. Teilstudienplatz, den man u.a. im Losverfahren bekommen kann: Der Bewerber wartet nach dem Abitur einige Jahre, bekommt dann einen Teilstudienplatz bis zum Physikum und darf dann nicht weiterstudieren, muss wieder warten.
 Anm.: Die Wartezeit ist also in etwa so lang, wie das ganze Studium dauert. Von Politikern wird immer wieder postuliert, dass Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden, frühestens nach 12 Jahren (zur Studienzeit müssen noch 5 bis 7 Jahre Weiterbildungszeit zum Facharzt addiert werden) greifen. Wenn man weiterhin Tausende von Bewerbern warten lässt, dann sprechen wir von 20 Jahren bis sich was Entscheidendes tut.
Auf diese skandalösen Zustände will #lasstunsarztwerden hinweisen.
 

tobi_s schrieb 11 Mai 2018

Hier teile ich meine Geschichte zum Thema Teilstudienplatz mit allen, die es interessieren mag:

Ich habe im Juni 2013 mein Abitur in Hessen mit einem Schnitt von 2,8 absolviert. Das große Ziel Medizin zu studieren vor Augen, bewarb ich mich, wenn auch ohne große Erwartungshaltung, bei hochschulstart.de. Mir war natürlich zu dem Zeitpunkt schon bewusst, dass ich mich auf bis zu 12 Semester Wartezeit einzustellen hatte und somit beschloss ich ein Jahr im Ausland zu verbringen und anschließend eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger zu beginnen.

Im Oktober 2014 begann ich in Würzburg meine Ausbildung, die mir unglaublich viel Spaß bereitete und war positiv gestimmt. "Die sechs Jahre vergehen schneller und besser, als du dir vorstellen kannst.", habe ich mir damals gesagt.

Daraufhin erhielt ich im April 2015 unerwarteter Weise an einem Freitag einen Teilstudienplatz in Göttingen, den ich bereits am darauffolgenden Montag antreten sollte. Mit gemischten Gefühlen, da es über diesen Studienplatz an aussagekräftigen Informationen fehlte nahm ich diesen selbstverständlich an. Es sei ja schließlich eine Art "6er im Lotto" wurde mir damals gesagt. 

Ich bewarb mich jedes Semester auf ein Neues deutschlandweit an allen Unis, hatte jedoch scheinbar weiterhin aufgrund meines NC keinerlei Chancen einen Studienplatz zu bekommen. Einige Kommillitonen bekamen Plätze in Bonn, Gießen oder Köln. Etwa die Hälfte von allen Leuten mit denen ich angefangen hatte war zum Physikum noch in Göttingen. Auch nach der erfolgreichen Absolvierung des Physikums im März 2017 mit der Note: 3,5 gingen ich und etwa 30 meiner Kommilitonen zum Sommersemester leer aus. Dies hatten jedoch schon einige Leute vorher prophezeit, da es im Wintersemester meist höhere Kapazitäten gebe und so absolvierte ich ein paar Praktika, bewarb mich eifrig weiter und suchte parallel nach Möglichkeiten der Promotion oder ähnlich studienrelevanten Tätigkeiten.

Nun schreiben wir Mai 2018 und ich bin an dem Punkt angelangt, wo ich mich langsam frage ob der Teilstudienplatz für mich eine Fehlentscheidung gewesen ist. Möglichkeiten zur Promotion werden von den Universitäten nicht ermöglicht, da man schließlich ein immatrikulierter Student sein müsse. Es gibt außer der Gewissheit über die Wartezeit, welche seit meinem Abitur um 2-3 Semester zugenommen hat, keinerlei Gewissheit wann und wie es weiter gehen wird. Eine weitere Ausbildung zu beginnen macht keinen Sinn, da ich diese im Falle eines Studienplatzes wieder abbrechen müsste und es fehlt ohne abgeschlossene Ausbildung an vernünftigen Alternativen. Jeder Bachelorabschluss an einer Deutschen Universität kann als "Berufsqualifikation" angesehen werden und man bekommt damit eine vernünftige Beschäftigung. Im medizinischen Sektor darf ich nicht einmal pflegerische Tätigkeiten übernehmen, da das Physikum an dieser Stelle scheinbar wertlos ist.

Unser Staat redet von Ärztemangel und Versorgungsengpässen auf dem Land. Überall in Deutschland finden selbstständige Mediziner/-innen keine Nachfolger für ihre Praxis und mehrere Hundert motivierte Studieninteressierte, egal ob mit oder ohne Physikum, warten auf einen Medizinstudienplatz. Studierende welche sich keine Privatuniversität oder einen Rechtsanwalt leisten können werden von unserer Politik im Stich gelassen. Wie kann es sein, dass ein Mangel an Medizinstudienplätzen mit Anwälten und Vermittlungsagenturen für ausländische Hochschulen sich immer mehr zu einem eigenen Wirtschaftszweig entwickelt? 

Ich hoffe, dass mehr Leute ihre Geschichte hier teilen und es vielleicht innerhalb der nächsten Jahre ein paar sinnvolle Änderungen geben wird, um zukünftigen Medizinstudierenden den Weg in den Beruf zu vereinfachen!

In diesem Sinne... #lasstunsarztwerden

 

soso.95 schrieb 12 Mai 2018

 

Im Bezug und Ergänzung zu tobi_s Geschichte möchte ich nun auch meine Erfahrung mit einem Teilstudienplatz mit euch teilen.

 

 

 

Genau wie tobi_s habe ich über hochschulstart einen Teilstudienplatz an der Universität Göttingen bekommen und habe mein Physikum im März 2017 absolviert. Aber beginnen wir von Anfang an…

 

 

 

Im Juni 2014 habe ich mein Abitur in Hessen mit einer Durschnittsnote von 2,4 absolviert und schon damals gewusst: Ich möchte unbedingt Medizin studieren. Für mich war von Anfang an klar, dass ich mit diesem Notendurschnitt mein Studium im Ausland absolvieren muss, da die Aussichten für einen Studienplatz in Deutschland sehr gering sind. Nach meinem Abitur legte ich also alles daran, mich auf ein Auslandsstudium in Frankreich vorzubereiten. Der Vorteil an einem Studienplatz in Frankreich ist, dass erst einmal jeder Bewerber einen Studienplatz zugeteilt bekommt und dann nach einem Jahr Studium eine Auswahl, bzw. Aussortierung von Studenten erfolgt.  Dieser sogenannte „Concours“ besteht aus mehreren Abschlussprüfungen durch die die besten 20% der Studierenden die Möglichkeit bzw. Erlaubnis bekommen, ihr Studium fortzusetzen.

 

Da ich bereits in der Schule Französischunterricht hatte, hatte ich grundlegende Sprachkenntnisse, die ich durch einen Sprachkurs im Rahmen einer SummerSchool der SciencePo in Paris weiter ausbaute. Direkt im Anschluss begann ich mein Pflegepraktikum in Wiesbaden und habe die gesamten 3 Monate an einem Stück geleistet, da ich vor meinem Auslandsaufenthalt zunächst sichergehen wollte, ob dieser Berufszweig die richtige Wahl ist und ich gerne vor Studienbeginn praktische Erfahrung sammeln wollte.

 

Überraschenderweise bekam ich 6 Tage vor Studienbeginn im Wintersemester 2014/15 einen Teilstudienplatz in Göttingen und krempelte kurzerhand meine ganze Planung um, packte meine Koffer und zog nach Göttingen. Diese einmalige Gelegenheit einen Studienplatz zu erhalten und das auch noch direkt im Anschluss an mein Abitur, war eine Möglichkeit von der viele andere und ich bisher nur träumen konnten.

 

Das Medizinstudium an der Universität Göttingen bereitete mir große Freude, und ich überwand jeden Stolperstein, sodass auch ich im März 2017 mein Physikum mit der Note 3,5 absolvierte. Damit habe ich insgesamt 5 Semester studiert, was 1 Semester länger als die Regelstudienzeit ist.

 

 

 

Die Bewerbungen während meines Studiums sowie die Bewerbungen nach bestandenem Physikum waren leider nie von Erfolg gekürt. Wahrscheinlich spreche ich auch anderen in der vergleichbaren Situation aus der Seele, wenn ich sage, dass das Bewerben auf höhere Fachsemester an den medizinischen Fakultäten deutscher Unis eine Wissenschaft für sich darstellt. Als „Teili“ macht man das zunächst neben dem Lernpensum, das man als Medizinstudent/in hat und sofern man keinen Platz erhält, wird das Bewerben zur Hauptaufgabe. Parallel dazu habe ich ab 2017 ein halbes Jahr in der Uniklinik Göttingen auf einer IMC/CPU Station ausgeholfen und nebenbei einen Lehrgang zur Rettungssanitäterin absolviert. Während dieser Zeit wurde mein Wunsch nur noch verstärkt, mein Studium fortzusetzen und mein Gefühl hat sich wieder einmal bestätigt, dass ich genau das möchte.

 

Wie tobi_s,  habe ich immer weiter nach einer sinnvollen Überbrückung gesucht und scheiterte häufig an dem Problem „nicht mehr immatrikuliert zu sein“ , da mir Famulaturen, bzw. eine Promotion erst möglich sein werden, wenn ich wieder einen Studienplatz habe. Es steht für mich außer Frage, dass Praktika und Aushilfsjob im medizinischen Bereich meinen Erfahrungswert steigern und man immer etwas dazulernt, allerdings sind diese sowohl schlecht bezahlt, noch habe ich eine Berechtigung durch das Physikum (wie tobi_s) einen Beruf auszuüben, sodass ich immer an Grenzen gestoßen bin.

 

Da mir die Ausbildung zur Rettungssanitäterin sehr viel Spaß gemacht hat, habe ich mich entschieden, auch weiterhin in diesem Berufsfeld tätig zu sein und kann mir sehr gut vorstellen in Zukunft darauf hinzuarbeiten, einmal Notärztin zu werden.  Gerne würde ich eine Ausbildung zum Notfallsanitäter beginnen, damit ich eine abgeschlossene Berufsausbildung habe, da ich mit fast 8 Wartesemestern, schlimmstenfalls noch weitere 4 Jahre auf einen Studienplatz warten muss. Allerdings stellt es sich als äußerst schwierig heraus, einen solchen Ausbildungsplatz zu erhalten, wenn sich aus dem Lebenslauf ergibt, dass man bereits ein Medizinstudium begonnen hat und dieses auch gerne fortsetzen möchte. Wieso sollte mich jemand ausbilden, wenn ich nicht langfristig in dem Beruf arbeiten und bei Zuweisung eines Studienplatzes die Ausbildung unterbrechen und nicht abschließen könnte?  

 

Ich habe das Gefühl, dass mir in jeglicher Hinsicht die Hände gebunden sind. Ich würde sehr gerne auch ein anderes Studium aufgreifen, z.B. eine der Naturwissenschaften, wie Biologie oder Biochemie, um mein Wissen zu erweitern und ganz wichtig: nicht aus dem Lernen herauszukommen! Aber dann würden meine Wartesemester nicht mehr weitergezählt, bzw. würde ich mit einem Bachelor in Deutschland in einem anderen Studiengang zu den Bewerbern für Medizin  „Zweitstudium“ gehören, für die ein noch kleineres Kontingent an Studienplätzen vorgesehen ist.

 

Derzeit arbeite ich als Rettungssanitäterin und bereite mich auf den MedAT vor, den Mediziner Test in Österreich, da ich jede Möglichkeit ausschöpfen möchte. Auch andere Aufnahmetest an ausländischen Hochschulen, wie z.B. Maastricht habe ich absolviert, aber leider auch dort keinen Studienplatz zugewiesen bekommen.

 

Ich habe viele Freunde, die in derselben Lage sind wie ich, ich habe aber auch viele, die das Glück hatten, nach einem Teilstudienplatz einen Vollstudienplatz in Rostock, Lübeck, Halle, Magdeburg oder Leipzig zu erhalten. Ich glaube, dass es bei mir immer noch an der Abiturnote scheitert und dass meine Physikumsnote, bzw. die verlängerte Studienzeit einen Faktor darstellt, der mich in der Rangliste weiter nach hinten verschiebt. Nichts desto trotz habe ich, wie jede/r (ehemalige) Teilstudienplatzinhaber/in, den ich kenne, einen starken Willen und besonders viel  Ausdauer und Durchhaltevermögen und werde weiterhin für einen Studienplatz kämpfen und mich, auch im Sinne der Anderen, einsetzen!  

#lassunsarztwerden

 

Dr. Günter Gerhardt schrieb 20 Mai 2018

20.5.2018 12 Uhr > 1000 Aufrufe!

paro_13 schrieb 24 Mai 2018

...auch ich möchte im Folgenden meine Erfahrungen und Erlebnisse mit einem Teilstudienplatz erläutern....

 

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen mich fragend anschauten wenn ich meine Geschichte berichtete. Auch ich habe eine mittleres 2er Abitur in Niedersachsen geschrieben und bereits in Göttingen bis zum Physikum studiert. Seit März 2017 warte ich nun auf eine Fortsetzung des Studiums...

Kurz um, ich hatte auch einen Teilstudienplatz in Göttingen! Der Außenstehende könnte zwar von Einzelschicksalen sprechen, aber ich bin der Meinung, dass auch die Gesellschaft im Großen und Ganzen unter dieser Situation mehr leidet als gedacht -Stichwort: Ärztemangel!

Im folgenden lesen Sie den "Teufelskreis des deutschen Gesundheitssystem": 

"Ihr wartet auf den Notarzt, wir auf einen Medizintudienplatz - ein Teufelskreis des deutschen Gesundheitssystems!"

„Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. [...]“

So besagt es der 12. Artikel des deutschen Grundgesetzes. Was ist nun, wenn sich ein Schüler in der Oberstufe mit Noten im 2er Bereich dazu entscheidet Arzt zu werden? Im Normalfall wird er schief angeschaut und es fallen Sätze wie „dafür wird dein Abiturdurchschitt aber nicht reichen...“, oder „da wirst du aber warten müssen, willst du vorher eine Ausbildung machen?“ Der Durchschnittsschüler wird nach Sichtung der Zulassungskriterien an den deutschen Hochschulen seinen Berufswunsch nochmal überdenken müssen. Es sei denn, der Schüler hat finanziell durch die Eltern die Möglichkeit abertausend Studienplatzklagen durchzuführen oder sich für ein teures Studium im Ausland zu entscheiden. Was bleibt denen die weder ein „Einser-Abi“ oder einen guten finanziellen Backround haben? Die müssen warten, warten und warten und immer noch warten. Was macht man in dieser Wartezeit, - was schon als normal gilt- man beginnt mit einer der Ausbildungen, die die Vergabestelle für Studienplätze (ZVS/ hochschulstart.de), auf ihrer Homepage als Bonus auf die Abiturnote beschreibt. Notfallsanitäter/-in, Kranken- oder Altenpflege/-in, MFA, MTA, OTA, RTA... Die Liste ist lang, aber die Aussicht auf einen Beruf den man nur wählt, weil man mal Ärztin oder Arzt werden will, ist wenig erfreulich.

Man sucht sich nun also eine Ausbildung aus, die am wenigsten „weh tut“, und beteuert bei den Bewerbungsgesprächen es wäre der Traumberuf und trotz Abitur möchte man nicht mehr Medizin studieren. Ein ziemlich schlechter Berufsanfang der sich dort auf eine Lüge aufbaut. Sollte man sich dann Auszubildende oder Auszubildender nennen dürfen, kann man natürlich das Gelernte bereits für das spätere Studium gut gebrauchen, aber es bleibt trotzdem bei den halbjährlichen Bewerbungen bei der ZVS und dem Hoffen bald doch ein Student zu sein. Klappt das auch weiterhin nicht, bleibt eine abgeschlossene Ausbildung. Was natürlich erstmal nicht schlecht klingt, aber es ist nicht der Beruf den man eigentlich machen möchte und wer wirklich Ärztin oder Arzt werden will, wird sich auch nach 3 Jahren Ausbildung nicht davon abbringen lassen. Fragt man mal einen Maler der seinen Job gerne macht, ob er auch Tischler geworden wäre...-wohl eher nicht.

Die Ausbildungsstätte bezahlt nun also einen Angestellten, um Ihn in dem Berufsfeld auszubilden (und wie man weiß sind Auszubildende nicht günstig) und dieser will gar nicht in diesem Beruf sein Leben tätig bleiben und wird schnellstmöglich den Weg zur Uni gehen. Es entstehen also fertige Auszubildende die nicht oder nur für eine gewisse Zeit in dem Beruf bleiben.. dieses bedingt offene Stellen u.a. im Pflegedienst, dadurch überlastete Arbeitskräfte und nur kurze Pflegezeiten für den Patienten. Zusammenfassend, ein Fachkräftemangel in der Pflege den sich das Gesundheitssystem mit den Worten „Bonus auf die Abiturnote für eine abgeschlossene Ausbildung“ selbständig herbeiführt.

Bleiben wir bei dem Durchschnittsschüler der mit einem zweier Abitur seine Ausbildung nun als Bonus angerechnet bekommt: Bonus, heißt nicht, man darf jetzt sofort studieren...nein, Bonus bedeutet die Abiturnote wird je nach Universität um max. 0,2 verbessert. Gehen wir mal davon aus der Schüler hätte eine Abiturnote von 2,6 und verbessert sich nun auf 2,4 wie soll er dann einen Bonus haben, wenn die Universitäten auch im eigenen Auswahlverfahren nur Bewerber bis max. 1,4 überhaupt zum Gespräch einladen? Es bleibt dem Schüler nur das Warten übrig, bis seine Wartesemester (14 Semester momentan) „voll“ sind, trotz Ausbildung. Nun arbeitet er noch weitere 3 bis 3,5 Jahre in dem Ausbildungsberuf, und schwups ist er ja plötzlich schon 6-7 Jahre älter als nach dem Abitur.

Wenn nach 6 Jahren Durchhaltevermöge, Tränen, Hass auf das System und den ewigen Warteschlangen bei der kostenpflichtigen Hotline der ZVS (bei der die Mitarbeiter selber nicht wissen wie es funktioniert), dann endlich der Zulassungsbescheid ins Emailfach flattert, hat man mit Mitte/Ende 20 schon das Gefühl man wäre Ärztin oder Arzt. Das jetzt 6 Jahre Studium und mindestens 4 Jahre Facharzt Ausbildung folgen wird zu der Zeit noch nicht überblickt. Erst wenn man mitten im Studium mit knapp 30 Jahren sieht, wie die alten Schulfreunde heiraten, Kinder bekommen und bereits Geld verdienen und man selbst mit 23-jährigen (was an dieser Stelle nicht abwerten klingen soll), in der Universitätsmensa sitzt und weiß, dass es bis zum Monatsende nur noch Nudeln mit Tomatensoße gibt, weiß man dass man eigentlich schon wo anders sein sollte. 

Nun gibt es den ein oder anderen der trotz nur mittelmäßiger Abiturnote das „Glück“ hat durch Zufall einen TEIL-Studienplatz zu erhalten. Ein Studienplatz im Fach Humanmedizin, welcher dem Studenten ermöglicht bis zum Physikum (nach 4 Semestern Studium, auch vorklinischer Abschnitt genannt), zu studieren. Der Student kann sich aber nicht sicher sein, dass er danach ohne Unterbrechung an der gleichen Universität weiter studieren kann. Diese Plätze gibt es in Deutschland nur, da im vorklinischen Abschnitt in den Laboren und Vorlesungen mehr Studenten Platz finden können, als im klinischen Abschnitt, in dem die Studentenzahl anhand der Bettenzahl im Universitätsklinikum berechnet werden. Da die Universität für jeden Studenten Geld vom deutschen Staat bekommt, belegt er natürlich alle freien Plätze mit Studenten, egal ob man ihnen nur ein beschränktes Studium ermöglichen kann. Einziger Vorteil des Teil-Studenten: Er kann sich direkt bei den Universitäten in Deutschland auf ein höheres Fachsemester bewerben und so die ZVS umgehen, bei der man mit einem 2er Abiturschnitt sowieso direkt abgelehnt wird, und das Studium zählt als Wartesemesterzeit. Nachteil: jedes Semester wieder ein Bewerbungsverfahren mitmachen, Beglaubigungen erstellen lassen, Porto zahlen und an JEDER Universität einzeln nach den benötigten Unterlagen und dem Bewerbungszeitraum schauen.

Auch ich hatte das „Glück“ einen solchen Platz zu bekommen und habe sofort meine Ausbildung an den Nagel gehängt und bin innerhalb von 2 Tagen in den Studienort gezogen. Den vorklinischen Abschnitt absolvierte ich mit einem guten Physikum, jedoch wegen Aufnahme einer Doktorarbeit in 5 anstatt 4 Semester, was mir heute zum Verhängnis wird. Seit über einem Jahr warte ich nun auf einen weiterführenden Studienplatz, geplagt davon, dass ich bei manchen Universitäten keine Bewerbung durchführen kann, da ich ein Semester aus der Regelstudienzeit bin, obwohl ich ja, wie viele andere ein Semester für meine Doktorarbeit benötigt habe.

Wenn das nicht alles schon steinig genug wäre, verteilen die Universitäten (bis auf einzelne) die Studienplätze zum zweiten Abschnitt des Studiums, nicht nach der Note des Physikums, sondern nach der Abiturnote, d.h. mit einem mittleren 2er Abiturschnitt ist auch dort die Aufnahme utopisch. Da fragt man sich doch was das Ganze soll, ein Bachelorstudenten bewirbt sich doch auch mit seinem Bachelorzeugnis für den Master und nicht mit dem Abiturdurchschnitt?! Man bleibt also auch dort auf der Strecke und auf Nachfragen im Dekanat kann einem keiner Tipps geben oder über Chancen sprechen –irgendeiner muss doch die Zulassung an den Universitäten durchführen und wissen wonach es wirklich geht?

Ich kann in diesem Fall nur von mir sprechen, aber ich denke, es wird vielen in ähnlichen Situationen auch so ergehen: Diese Situation macht einen fertig! Man fragt sich wofür man das alles gelernt hat in den 2 Jahren, wenn man nicht weitermachen darf, man muss sich einen Job suchen um den Lebensunterhalt zu verdienen, Bafög fällt natürlich weg und auch ist es schwierig von den Eltern weiter Geld zu verlangen, wenn man nicht mehr studiert. Und in der schlimmsten Situation denkt man darüber nach etwas Anderes zu studieren.

Ich stand an diesem Punkt!

Ich wollte immer Landärztin werden, als Hausarzt Patienten betreuen, nicht nur den Körper heilen, sondern auch für die ältere Gesellschaft in ländlichen Regionen da sein. Ich habe mich bereits entschieden in unterversorgte Gebiete zu gehen, auch stand ich Bereits in Kontakt mit dem Ansprechpartner für landärztliche Niederlassung. Aber trotz weitverbreiteten Ärztemangel auf dem Land lässt man Studenten die es wirklich wollen nicht studieren.

Als ich über einen Abbruch der Warterei und ein anderes Studium nachdachte, informierte ich mich über die Kosten des Staats für mein Studium. Dort las ich eine Summe von rund 180.000€ für das gesamte Studium, in meinem Fall also schon ca. 60.000€. Da fragt man sich wieso man Studenten die schon zu einem Drittel fertig sind und in 4 Jahren bereits in Praxen als Assistenzarzt tätig werden könnten, nicht das Studium beenden lassen, sondern möglicherweise 60.000€ einfach so verpuffen lassen, wenn der Student dem weiteren Studium irgendwann den Rücken zukehrt...

#lasstunsarztwerden

cfc91 schrieb 25 Juli 2018

Hey,

ich bin27 Jahre alt und studiere aktuell im 3. Semester Humanmedizin an der Universität in Mainz. Mein Abitur habe ich 2011 in Rheinland-Pfalz mit 3,1 abgeschlossen. Danach entdeckte ich während eines Pflegepraktikums meine Leidenschaft für die Medizin. Kurz darauf begann ich die Gesundheits- und Krankenpflege-Ausbildung an der Unimedizin Mainz, die ich dann 2015 abschloss. Nach zwei Jahren Dienst in der chirurgischen Notaufnahme der Mainzer Uniklinik und 12 Wartesemestern bekam ich im April 2016 5 Tage vor dem Sommersemesterbeginn dann die langersehnte Zulassung zum Medi­zin­studium von hochschulstart.de. Diese galt jedoch nur bis zum Physikum. Somit handelte es sich bei der Zulassung um einen sogenannter Teilstudienplatz. ‚Egal!‘, hab ich mir gedacht, ‚Hauptsache ich bin drin und nach dem Physikum kann ich mich bestimmt mit der Physikumsnote bewerben. Endlich werde ich nicht mehr nach meinem miesen Abitur bewertet…‘

Wie ich leider erfahren musste, entspricht dies nicht den Tatsachen. Obwohl ich jede Prüfung bestehe, werde ich am Ende des 4. Semesters von der Johannes-Gutenberg-Universität zwangsexmatrikuliert. Die Frage nach der Begründung, wieso man nach 4 Semestern und hoffentlich erfolgreich absolviertem Physikum wieder nach seinem Abitur bewertet wird, drängt sich mir hierbei auf und ist zudem für mich vollkommen unverständlich.

Es würde mich unendlich freuen, wenn ich doch einfach in der Stadt, in der ich seit 6 Jahren lebe, ar­bei­te und studiere mein Medizinstudium beenden könnte...

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